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The Polydrama
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13b KILLING A COSSACK
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Das Schlachtfeld von Lutsk. Am Rand eines weiten, sumpfigen Waldstreifens. Maschinengewehrfeuer durchzieht pfeifend die Luft, immer wieder unterbrochen vom dumpfen Einschlag der Granattreffer. Rauchsäulen stehen am Himmel. OSKAR KOKOSCHKA liegt schwer verwundet mit einem Kopfschuß auf der Erde, rund um ihn andere sterbende oder tote Soldaten. Die Luft ist erfüllt von ihrem vielhundert stimmigen Wehgeschrei, das wie ein Summen in der Luft liegt. Sie rufen nach ihren Geliebten, nach ihren Müttern und Vätern, sie stöhnen, ächzen und wehklagen in ihrem Schmerz, sie weinen. Oskars Stimme vereint sich mit diesem Choral des Todes.

OSKAR   Alma!.... Alma!... Wo bist du?! Wo bist du?!!! Vergiß mich nicht, Alma! Vergiß mich nicht... Du mußt an mich denken! Alma, hörst du mich?! Du mußt an mich denken!! Warum denkst du nicht an mich?! Warum nicht?! Alma!!! Hilf mir! Hilf mir auf! So hilf mir doch auf!!! Mein Gott, laß mich doch nicht hier liegen! Halt mich! Halt mich!! Laß mich nicht aus! Laß mich nicht fallen! Du darfst mich nicht fallen lassen! Du darfst nicht! Du darfst nicht! Ich... Ich... Alma!!!! Ich kann nichts sehen! Mein Kopf! Mein Kopf!! Mein Gott, so mach doch was!! Du kannst mich doch hier nicht so liegen lassen! Ich kann doch nichts sehen... Nimm mich... nimm mich... hoch!!! Hoch! Ich... versinke in Ohnmacht... versinke in Nacht... Dunkel... Dunkel!

Alma! Warum hast du nicht auf mich aufgepaßt! Du hast es mir doch versprochen! Du hast es mir versprochen! Versprochen! Du hast mich nicht am Leben gehalten! Du hast gelogen! Du hast schon wieder gelogen! Ich werde dich... Du Hure!!! Du wolltest über jeden meiner Schritte wachen. Warum hast du uns in diesen Hinterhalt gelockt? Alle sind tot! Sie sind tot, Alma! Warum?! Warum hast du uns das angetan?!!! Du hast uns in die Hölle geführt. Das war nicht ausgemacht! Ich wollte doch... reiten! Reiten! Reiten! Durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag - bis zu dir! Mann gegen Mann! Weißt du, was das ist?! Natürlich weißt du's... nicht. Nicht weißt du's!! Alma! Der Tod hat mir die Hand gegeben. Du mußt mich mitnehmen. Nimm mich mit zu dir! Bitte! Alma! Kannst du mich hören?! Hallo?! Hallo?! Hallo?!

Alma! Alma! Hallo! Ich kann dich hören! Ja, ich kann dich hören! Mein Gott! Du mußt lauter sprechen, Alma! Ich... Ja?! Ja. Alma, jetzt hör' ich dich. Ich bin so froh, daß ich dich höre. Ich bin so glücklich! Daß du mich hören kannst. ...dich hören kannst! Kannst du mich hören?!!! - Ja, ja... mein... ja, mein Pferd haben sie mir weggeschossen... ja, weggeschossen... und... ja, und dann... dann... auf einmal... Alma!... Sie haben mich in den Kopf geschossen... in den Kopf geschossen... ganz hinein... in den... was?... ich kann dich so schlecht hören... ins Ohr... ja, ins Ohr haben sie mich geschossen!... da ist ein Loch, du... Ich hab da ein Loch... da... ein Loch... von einem Ohr zum anderen... geht das Loch... was soll das heißen, du kannst das nicht glauben?... Alma! Du solltest das sehen! Man kann sogar durchschauen... durch mich... hindurchschauen!... Ich hör' sogar den Wind durchsausen... das ist angenehm... kühl!... ein Eisenbahntunnel geht durch meinen Kopf, durch meinen Schädel... ich höre deine Stimme, während der Wind durch mein Hirn pfeift... das klingt... wunderbar... wie das Meer!... Schön!... Wie das Meer!! Das macht mich glücklich, Alma... das ist herrlich! Ich weiß nicht... ich habe das Zeitgefühl verloren... Was?... ich weiß nicht. Vielleicht Wochen, vielleicht Monate... Tage... meine Uhr ist mir stehengeblieben!... ich kann sie nicht mehr aufziehen... es ist schon so oft hell und wieder dunkel geworden... aber ich kann's ja nicht sehen!... Ich kann's ja nicht sehen! Verflucht! Verflucht! - Alma...? Alma?! Alma?!!!

Aus der Ferne nähert sich eine Stimme, die ein schönes, aber trauriges russisches Lied singt. Die Stimme kommt näher.

Aber nein, ich singe doch nicht! Wirklich nicht...! Es ist... ich glaube, es ist ein Russe... Ja, ja! Es ist ein Russe! Er tötet die Schwerverwundeten... nein, er schießt nicht... ich glaube, er ersticht sie... ja, er ersticht sie... mit einem Bajonett, Alma!... Nein, das ist nicht grausam... gar nicht grausam... das ist doch wunderbar!... die können sich doch kaum noch bewegen... die haben ja gar keine Beine mehr, Alma... keine Beine, keine Arme... du mußt dir das vorstellen!... Er hat recht, er hat recht!... Sie sterben doch ohnehin an Wundstarrkrampf... Also wozu? Wozu?! Wozu?!! Verlorene Liebesmüh!

Man hört das Geschrei von Stimmen aus er nächsten Nähe. Dazwischen immer wieder und unbeirrbar das liebliche russische Lied des Kosacken.

Nein, das bin nicht ich, Alma... ich schreie nicht... noch nicht... das sind die anderen... meine Kameraden... sie haben unser ganzes Bataillon erwischt... wie die Fliegen... er befördert sie ins Jenseits mit seiner Fliegenklatsche.

Der Kosack erscheint mit einem bluttriefenden Bajonett, das vorne an seinem Gewehr steckt.

Alma, ich glaub', jetzt bin ich dran...!

Oskar zieht seinen Revolver und verbirgt ihn an seinem Körper, um im richtigen Augenblick zu schießen.

Hab' keine Angst, mein Schatz... du brauchst gar keine Angst zu haben, ich habe meinen Revolver schußbereit... genau auf seine Brust... es ist noch eine Kugel im Magazin... genau auf seine Brust...

Der Kosack hat Oskar erreicht. Immer noch singt er sein wunderschönes Lied. Er setzt an und stößt Oskar das Bajonett tief in die Brust.

Uhhh... ich glaube, sein Bajonett hat mich erwischt... ich kann es spüren... er wühlt damit in meiner Jacke... aber es ist nur die Jacke... mach dir keine Sorgen... er fummelt damit herum, es ist unangenehm, aber es tut nicht weh... dieses gottverdammte Bajonett... wahrscheinlich sucht er mein Fleisch... Ja!... Natürlich kann ich ihn erschießen... und mir das Leben retten... aber... meine Seele ist noch nicht so verrottet, daß ich mir erlaube, einen Mann zu töten, der seine Pflicht tut, seine Arbeit... er führt doch einen Befehl aus!... Aha... jetzt ist's soweit... jetzt kann ich das kalte Metall fühlen... wie es ganz langsam meine Haut durchdringt... ahhhh... und jetzt geht's tiefer... durchs Fett zwischen meinen Rippen... Ohhh!... und jetzt die Rippen... Ahhhhh!.... Alma! - Die Schmerzen sind stark. Sehr stark. Grauenvoll. Wirklich kaum auszuhalten...! Kaum... Liebst du mich, Alma?! Liebst du mich? Sag, daß du mich liebst und ich bring' ihn um. Ich bring' ihn um!... Warum sagst du denn nichts? Möchtest du denn, daß ich sterbe? Daß er mich aufspießt? Du möchtest das?!!! Alma?! Wirklich??!!! - Also gut... also gut... Gleich ist's soweit... gleich haben wir's geschafft!... durchhalten! durchhalten!... Oh! Der Schmerz ist weg!... Alma, es ist vorbei! - Die Klinge steckt in meiner Lunge... es tut gar nicht mehr weh! Gar nicht mehr weh! Mein Kopf wird ganz leicht, ganz schwerelos... ich fühle mich so erleichtert, so glücklich... Alma!... Es ist wunderbar!... Ich bin so glücklich wie niemals zuvor!!!... Ich schwebe!... Ich schwebe!... Das Blut rinnt mir aus der Nase!... Aus den Ohren... den Ohren... in den Mund... ich kann nichts sehen... kann nichts sehen! Es rinnt mir in die Augen! - Daß Sterben so einfach ist, so leicht und schmerzlos... Ha ha ha ha ha! ------

Oskar lacht wie verrückt. Der Kosack bricht mit seinem Lied ab und starrt entgeistert auf den vermeintlich Toten. Er zieht sich zurück, ohne vorher die Waffe aus Oskars Brust gezogen zu haben. Oskars Lachen wird immer lauter und wilder. Der Kosack dreht sich um und läuft schreiend davon.

KOSACK   Mama!!! Boggo Moy! Mama!!!

Oskar richtet sich mühsam auf. Dann zieht er knieend das Bajonett aus seiner Wunde. Er stützt sich auf das Gewehr, rappelt sich hoch und schleppt sich, indem er das umgedrehte Gewehr als Krücke benützt, davon. Er steigt über die Körper der Gefallenen und läßt das verlassene, schweigende Schlachtfeld hinter sich zurück. Dabei summt er die Melodie des russischen Liedes.