|
11a I WISH I HAD 10.000 HEARTS
>
download Word-Doc
Wien 1911. ALMA 1 & ALMA 2 & ALMA 3 im Bad. RESERL
assistiert.
ALMA 1 Ach,
Scheisse! Ich fürchte, ich bin schon wieder schwanger.
ALMA 3 Wer
ist es denn diesmal?
ALMA 1 Dr.
Paul Kammerer.
ALMA 2 Ugghh!...
ALMA 1 Wieso
«Ugghh»? Er ist ein sehr reicher Mann. Ich liebe
ihn.
ALMA 2 Kammerer
ist reich?!
ALMA 3 Geistig
natürlich, nicht finanziell.
ALMA 2 Er
ist ein Hungerleider, genauso wie seine scheußlichen
Kröten, an denen er ununterbrochen herumfummelt. Unlängst
soll er sogar eine geküßt haben!
ALMA 3 Ich
weiß. Eine Geburtshelferkröte.
ALMA 1 Sein
Lieblingsexemplar. Sie ist der Beweis für seine Theorien,
daß künstlich erworbene Eigenschaften vererbbar
sind.
ALMA 3 Die
Entdeckung wird ihm noch viel Geld einbringen.
ALMA 1 In
Rußland hat er schon eine große Anhängerschaft.
ALMA 3 Er
hat sogar einem Axolotl das Augenlicht wiedergegeben!
ALMA 2 Ach!
Das arme Tier! Und was mußte es dann als erstes erblicken?
ALMA 1 & 2 & 3 Dr.
Paul Kammerer!!!
ALMA 3 Diesen
elenden Kommunisten.
ALMA 1 Meine
liebe Alma, du bis so schön wie du blöd bist.
ALMA 2 Darf
ich dich eines versichern: durch Arbeit wird man nicht reich.
ALMA 3 Weder
durch manuelle noch durch spirituelle.
ALMA 2 Wenn
du wirklich reich sein möchtest...
ALMA 1 Oh
ja, das wäre zur Abwechsung einmal etwas anderes...
ALMA 3 Oh
ja, das wäre zur Abwechsung einmal etwas anderes...
ALMA 2 Oh
ja, das wäre zur Abwechsung wirklich einmal etwas anderes...
ALMA 1 Also
was willst du dann? Sag es mir. Frei heraus.
ALMA 3 Wonach
sehnst du dich? Wovon träumst du? ...
ALMA 1 Nur
keine Scheu, heraus damit! Du kannst uns alles sagen.
ALMA 3 Gib
dich deinen Wünschen hin und sag uns deine geheimsten
Träume...
ALMA 1 ...
die verborgenen...
ALMA 3 ...
die verbotenen...
ALMA 1 ...
die, von denen du selbst vielleicht noch gar nichts weißt...
ALMA 2 Wartet...
das ist nicht so leicht...!
ALMA 3 Laß
dir Zeit. -
ALMA 2 Wißt
Ihr, was ich möchte? Wonach ich mich in meinem Innersten
sehne? Mein sehnlichster Wunsch?
ALMA 1 & 3 Na...?!
ALMA 2 Ich
möchte nach Paris -
ALMA 1 & 3 Ohhh!!!!!!!!!
ALMA 2 -
mit Euch. Nur mit Euch. Wir wohnen im Ritz... Die größte
und schönste Suite, die Hochzeitssuite... Wir bleiben,
solange wir möchten! Wochen, Monate... Jeden Abend gehen
wir aus... in die Oper, ins Varieté, ins Konzert...
wir soupieren im Tour-d'Argent..
ALMA 1 & 3 Ahhh!
ALMA 2 ...
im Moulin Rouge, wo immer wir möchten!! - Können
wir uns diesen Wunsch erfüllen?
ALMA 1 Aber
ja. Warum nicht?
ALMA 3 Wir
können heute noch los.
ALMA 1 & 2 & 3 Haaa!!!!
Das Licht wird entzündet.
ALMA 2 Kammerer
wird toben.
ALMA 1 Soll
er sich doch seine Kröten alleine mit Mehlwürmern
vollstopfen!
ALMA 3 Er
wird sich entscheiden müssen zwischen seiner Oberkröte,
dieser entsetzlichen Frau...
ALMA 1 Und
uns!
ALMA 2 Alma!
Du bist wunderbar!
ALMA 3 Die
Männer sind unser gar nicht wert!
ALMA 1 Ich
wollte, ich könnte ohne sie auskommen.
ALMA 3 Ich
wußte es -
Alle drei lachen.
ALMA 1 Aber
ich kann nicht. Ich kann nicht!
ALMA 2 Ich
liebe sie, wenn sie mich lieben. Es macht mich ganz rasend,
wenn ich ihr Verlangen spüre.
ALMA 3 Es
weckt mich aus meinem Tiefschlaf. Es ist wie eine Droge!
ALMA 1 Wenn
sich ein Mann in mich verliebt, verliebe ich mich sofort in
mich selber. Und plötzlich bekommt mein Leben wieder
einen Sinn...
ALMA 3 ...
eine Berechtigung...
ALMA 2 ...
nur weil ein Mann sich darin herumtummelt...!
ALMA 3 Aber
sie hinterlassen doch immer ihre dreckigen Fußspuren
in unserer Seele...
ALMA 2 ...
und ihre fettigen Fingerabdrücke!
ALMA 1 Sie
betäuben uns mit diesem süßlichen Verwesungsgeruch,
den sie Liebe nennen...
ALMA 2 ...
nebeln uns ein mit eine Wolke von abgestandenem Bier...
ALMA 3 ...
und kaltem Zigarrenrauch...
ALMA 2 ...
und wenn sich der Nebel lichtet - ?
ALMA 1 Mußt
du auf einmal erkennen, daß dein Leben gar nicht mehr
dein Leben ist!
ALMA 3 Daß
dir dein Leben gar nicht mehr gehört!
ALMA 1 & 2 Alma...?!
ALMA 3 Ist
es nicht so?!
ALMA 1 & 2 & 3 Nein!!!!!!!
ALMA 2 Ganz
im Gegenteil!! Je mehr Männer mein Leben durchziehen,
desto stärker fühle ich, daß es mein Leben
ist!
ALMA 3 Aber
sie stopfen dich doch voll mit ihrem verkommenen Samen!
ALMA 1 Wieso
denn verkommen? Manche von ihnen schmecken besser als les
huitres de la mér...!
ALMA 2 Labskaus!!
ALMA 3 Sabaione
con fragole!!!
ALMA 1 Sie
pumpen dich auf damit wie einen Luftballon!
ALMA 2 Wenn
ich einen Mann liebe, dann will ich auch ein Kind von ihm.
ALMA 1 Wenn
nicht - nichts leichter, als es wieder loszuwerden.
ALMA 2 & 3 Alma!
ALMA 1 Was
soll daran falsch sein?
ALMA 3 Ich
weiß nicht. Es macht mir Angst...
ALMA 2 Mir
nicht.
ALMA 1 Also
wenn Ihr glaubt, daß es keine gute Idee ist...
ALMA 3 Nein,
nein. Ich denke, es ist eine sehr schöne Idee...
ALMA 1 Alma,
du machst mich glücklich! Du wirst sehen, es wird dich
nicht im Geringsten stören.
ALMA 2 Davon
bin ich überzeugt. Ich würde es auch nie zulassen,
daß irgendein Mensch mein Leben mit Beschlag belegt.
Ein Mensch ist doch nur ein Objekt von vielen, das zufällig
einmal erscheint - und dann wieder verschwindet.
ALMA 1 & 3 Ein
«Objekt»? -
ALMA 2 Ja...!
ALMA 3 Na
ja, was ist gegen Objekte zu sagen?
ALMA 1 Jaja.
Sie können sehr interessant sein, manchmal überraschend
kurzweilig.
ALMA 2 Nenne
mir einen vernünftigen Grund, allen Objekten zu entsagen,
nur weil ein einziges irgendwann einmal zufällig als
erstes unsere Aufmerksamkeit erregt hat.
ALMA 3 Muß
mich ein Edelstein blind machen für alle anderen, nur
weil ich ihn als erstes in Händen hatte?
ALMA 1 Muß
ich ihn kaufen und ein Leben lang am Hals tragen, bis er mir
schwer wird wie ein Mühlstein?
ALMA 2 Ich
rede ja nicht von bedingungsloser Treue, aber...
ALMA 1 Nichts
gegen die Treue. Nichts gegen die Treue! Wenn ein neues Objekt
in meinen Gesichtskreis tritt, bedeutet das doch noch lange
nicht, daß ich das alte auf den Mist werfen muß.
Im Gegenteil! Ich sage immer: wirf nichts weg, was dir einmal
gehört hat. Du wirst es vielleicht noch einmal brauchen.
ALMA 3 Wer
kann das wissen?
ALMA 1 Es
erweckt vielleicht wieder einmal mein Begehren... Wenn ich
für einen Mann keine Verwendung mehr habe, werde ich
ihn doch nicht einfach wegwerfen. Nur weil das Interesse an
ihm erloschen ist...
ALMA 2 Ich
stelle ihn vorsichtig in eine Ecke? Zur Aufbewahrung? Schön
in Reichweite? - Und wenn seine Zeit wieder gekommen ist...??!
ALMA 3 Nun...
ALMA 1 Wer
kann sagen, ob? Wer kann sagen, wann? Aber die Möglichkeit
besteht doch...!
ALMA 3 Frauen,
die stolz darauf sind, daß sie ein Leben lang immer
nur einem Mann angehört haben - selbst wenn es ein ganz
besonderer Mann war -, sind doch im Grunde genommen gar nicht
am wirklichen Geist des Mannes interessiert...
ALMA 1 Sie
zwingen sich durch einen falschen Ehrbegriff zu einer Treue,
und sind von Jugend an verloren für alle anderen Objekte.
Für deren Intelligenz, ihre Größe, ihr Genie!
ALMA 2 Diese
Frauen sind tot - lange, bevor sie gestorben sind!!!
ALMA 1 & 2 & 3 Yeahhh!!!!
ALMA 1 Aber
Beständigkeit? Bedeutet sie gar nichts?
ALMA 3 Beständigkeit!
Das ist doch lächerlich!
ALMA 2 Die
Männer haben doch alle ein Recht darauf, mich zu begeistern!
Ich würde ihnen Unrecht tun!
ALMA 3 Der
rein äußerliche Vorteil desjenigen, der mir zufällig
einmal als erster über den Weg gelaufen ist, darf doch
die anderen nicht des gerechten Anspruchs berauben, den sie
allesamt auf mein Herz erheben dürfen.
ALMA 1 Alexander
Zemlinsky war der erste, weil er dich durch sein Talent gefangen
hat, solltest du deshalb dein Herz vor dem Genie eines Gustav
Mahler verschließen?
ALMA 2 Und
mit Gustav in deinem Besitz - solltest du dich blind stellen?
Empfindungslos und taub? Es war geradezu deine heilige Pflicht,
dich um Walters Gropius zu kümmern.
ALMA 3 Und
nachdem auch er sich auf deinem Altar geopfert hatte, dir
alles gegeben hatte, was er besaß, solltest du deine
Sinne verschließen vor dem ungeheuren Ansturm, mit dem
Oskar Kokoschka Einlaß begehrte...
ALMA 1 ...
und deine Grundfesten aufs tiefste erschütterte...?!
ALMA 2 Eines
weiß ich ganz genau: ein Genie bezaubert mich immer
auf Anhieb, wo ich es finde, ich habe eine Witterung dafür,
und ich gebe der süßen Gewalt, mit der es mich
fesselt, gerne nach! Ich mag noch so vernarrt sein in das
Wesen eines Menschen, es darf mich nicht dazu bringen, ungerecht
gegen all die anderen zu sein. Ich habe kein Recht dazu, verstehst
du?
ALMA 3 Und
wenn ein neuer leuchtender Stern mein Herz erreicht, so gäbe
ich...
ALMA 1 ...
und wenn ich 10.000 Herzen hätte, sie ihm alle hin!
ALMA 2 Ich
wollt', ich hätt' 10.000 Herzen, und könnte sie
für 10.000 neue Sonnen öffnen, die auf meinem Horizont
erscheinen!
ALMA 1 & 2 & 3 (singen:)
«On this night of ten thousand hearts
let me take you to heaven's door!
Where the music of love's guitars
plays forever more!»
ALMA 3 Aber
hat man dann einmal gesiegt, steht man als Feldherr Pyrrhus
da! Dann hat man auch nichts mehr zu sagen und noch weniger
zu wünschen.
ALMA 3 Alles
Schöne der Leidenschaft ist hin. Und wir schlafen über
dem Frieden einer solchen Liebe ein...
ALMA 2 ...
wir sinken tief hinab - und alles, was eben noch schön
war, modert langsam träg dahin.
ALMA 1 Denn
nichts ist langweiliger und abstoßender als ein Objekt,
das sich einmal in unserem Besitz befunden hat und das so
tut, als würden wir ihm jetzt gehören!
ALMA 3 Nur
der Versuch - und im nächsten Augenblick schon fällt
der wache Geist in sich zusammen - als wäre nichts gewesen.
ALMA 2 Der
junge, starke Genius von gestern wird im Handumdrehen zu einem
müden, nassen Lappen.
ALMA 1 Und
aus dem Mund, aus dem man einst Perlen trank, dringt dann
der süßliche Gestank von Fäulnis und Verwesung.
ALMA 3 Der
Mensch, der einst das Ziel war, wird uns dann zur Bürde.
ALMA 2 Und
alles, was uns dann zu sagen übrigbleibt, ist höchstens:
«Das hab ich wirklich nicht verdient...!»
ALMA 3 Ich
kann euch sagen, aufgebrauchte Männer sind schlimmer
als der schlimmste Tod.
RESERL Es
muß sehr traurig sein, nach allen Seiten hin zu lieben,
wie ihr es tut.
ALMA 1 & 2 & 3 lachen.
ALMA 1 Du
brauchst uns nicht zu bedauern, Dummerchen.
ALMA 3 Es
ist nicht so bitter, wie du denkst.
ALMA 2 Glaube
mir, es gibt ein profundes Mittel, solch ein Desaster zu verhindern,
wie wir's grad beschrieben haben...
ALMA 3 ...
und das ist einzig und allein ein neuer, junger Genius, der
auftaucht wie ein Phönix aus der Asche...
ALMA 1 ...
und der uns wachrüttelt aus diesem ohnmachtsgleichen
Schlummer, der dem Schlaf des Todes gleicht.
OSKAR (off)
Alma!
ALMA 1 Oskar?!
OSKAR Wo
bleibst du denn? Ich warte seit einer halben Stunde auf Dich...!
ALMA 1 Ich
komme, ich komme!
OSKAR In
fünf Minuten!
ALMA 1 (zu
den anderen:) Das ist ein ganz Wilder, ich kann Euch sagen...!
ALMA 3 Wie
heisst er?
ALMA 1 Kokoschka.
Oskar Kokoschka.
ALMA 2 Was
ist er von Beruf?
ALMA 1 Er
ist Maler.
ALMA 2 & 3 Ahhh....!
ALMA 1 & 2 & 3 (singen:)
Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, _
ich bin doch zu schade für einen allein. _
Wenn ich jetzt grad dir Treue schwöre, _
wird wieder ein anderer ganz unglücklich sein. _
Ja, soll denn etwas so Schönes nur einem gefallen,
die Sonne, die Sterne, gehör'n doch auch allen
Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre,
ich glaub, ich gehöre nur mir ganz allein.
|
