3a CONDITIONS FOR MARRIAGE
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GUSTAV MAHLER und ALMA SCHINDLER. Dezember 1901.
MAHLER Meine
geliebte Alma, mein Herz, mein Leben! Heute komme ich etwas
schweren Herzens zu dir. Denn ich muß etwas mit dir
besprechen.
ALMA Was
denn, mein Schatz?
MAHLER Ich
muß dir heute weh tun und doch kann ich nicht anders.
Aber bevor ich anfange, sage mir nur eines: Was erwartest
du dir von unserer Beziehung?
ALMA Was
soll ich denn erwarten? Ich will werden, wie du es wünschest,
wie du es brauchst!
MAHLER Was
noch?
ALMA Ich
wünsche mir, und bin sicher, daß du mir dabei helfen
wirst, meine Persönlichkeit zu entwickeln.
MAHLER Gut.
Und was stellst du dir unter einer Persönlichkeit vor?
Hältst du dich schon für eine Individualität?
ALMA Natürlich.
MAHLER In
welcher Hinsicht?
ALMA Ich
bin Komponistin. Ich möchte mich in meiner Musik artikulieren.
Man hat mich in diesem Weg bestätigt, meine Freunde,
der Burgtheaterdirektor Max Burckhard, Alex Zemlinsky, mein
Lehrer...
MAHLER Ach,
sieh mal einer an. Wirklich?
ALMA Ja!
Sie sind überzeugt davon, daß ich meiner Berufung
folgen soll. Burckhardt selbst hat mich den Begriff der Individualität
gelehrt, er hat mir Nietzsche nähergebracht, und Zemlinsky
spricht von meinen Kompositionen mit... nun, mit der größten
Hochachtung.
MAHLER Alma,
du bist das süßeste und bezaubernste Wesen, dem
ich je begegnet bin. Aber eine Individualität, wie Du
sie beschreibst, zu der kann ein Mensch erst nach langer Zeit,
durch Kämpfen, Leiden, Erleben gelangen und durch eine
tiefe begründet und kraftvoll ausgestaltete Veranlagung
... eine solche kannst du nach deinen Jahren ja noch gar nicht
haben, weil alles noch so unausgesprochen, unentwickelt, ungeworden
ist in dir.
ALMA Wofür
hältst du mich denn? Für ein Spielzeug?
MAHLER Nein,
natürlich nicht. Was du mir bist, was du mir vielleich
sein wirst können - das Höchste, Liebste meines
Lebens, der treue, tapfere Freund, der mich versteht und fördert,
meine Burg, die uneinnehmbar gegen innere und äußere
Feinde besteht, mein Frieden, mein Himmel, in den ich immer
wieder untertauchen, mich wiederfinden, mich neu aufbauen
kann - was das ist, ist so unaussprechlich schön, so
viel und so groß... in einem Wort: meine Frau.
ALMA Ich
sehe da keinen Widerspruch. Ich möchte auch deine Frau
werden!
MAHLER Wenn
du meine Frau werden willst, mußt du alles bisherige
vergessen. Alle diese Burckhards, Zemlinskys - und wie sie
alle heißen - das sind keine Individualitäten.
Vergiß, was sie dir gesagt haben. Sie haben nicht die
leiseste Ahnung von Individualität, weil sie selbst gar
keine besitzen. Jeder von ihnen hat vielleicht so eine Domäne,
wie eine originelle Adresse, eine unleserliche Schrift oder
irgendeine andere Marotte und diese Domänen verteidigen
sie bis aufs Blut, um nicht unoriginell zu werden. Aber sie
besitzen keine Seele. Diese Menschen leben nur von ihrer Mißgunst
gegenüber denen, die sie überragen, und das verbrennt
ihnen ihre Herzen zu Asche. Deswegen hängen sie sich
an dich, an deine Jugend, nur um sich an ihr zu erfrischen
und schmeicheln dich an, um dich endlich damit zu zerstören.
ALMA Aber
sie lieben meine Musik!
MAHLER Das
mußt nicht auf das hören, was sie sagen.
ALMA Warum
nicht?
MAHLER Weil
du schön bist, Alma. Sehr schön. Und sehr anziehend
für Männer. Und diesem Umstand zollen sie Tribut.
Denke dir nur den Fall, du wärest häßlich.
Wie würden sie dann zu dir sprechen? Auch wenn es hart
klingt - du bist eitel geworden auf das, was diese Männer
an dir zu sehen vermeinen.
ALMA Vielleicht
sollten wir nicht zusammen leben...
MAHLER Was
meinst du damit?
ALMA Ich
meine in getrennten Wohnungen. Wir sehen uns, wann immer wir
wollen... Wir müssten nicht einmal verheiratet sein.
Wir werden einfach ein Paar, ein Liebespaar, und leben zusammen
wie Freunde. Ohne Segen.
MAHLER Alma,
ich rede nicht von einer gemeinsamen Wohnung, sondern von
einem gemeinsamen Leben.
ALMA Und
wenn wir gleichzeitig schreiben möchten?
MAHLER Schreiben?---
ALMA Musik.
Ich möchte auch Musik schreiben, Lieder, Opern, Symphonien.
Es ist alles schon in meinem Kopf. Oratorien, Messen... Und
du willst doch auch komponieren, das können wir doch
nicht gleichzeitig tun. Es ist also besser, wir leben getrennt
und können ungestört arbeiten, wann immer wir wollen,
du an deiner Musik und ich an der meinen. Und wenn wir...
MAHLER Entschuldige
bitte, entschuldige bitte, ich glaube, ich muß hier
eines karstellen. Ich muß, es tut mir leid, aber ich
muß meine Musik gegen dich verteidigen. Du bist mutig
genug, meine Musik - eine Musik, die du eigentlich noch gar
nicht kennst, jedenfalls noch nicht verstehst, und noch gar
nicht verstehen kannst - der deinen gegenüberzustellen!
Halte mich bitte nicht für eitel, aber wie stellst du
dir so ein komponierendes Ehepaar denn vor? Hast du denn eine
Ahnung, wie lächerlich und herabwürdigend so ein
Rivalitätsverhältnis zwischen uns werden müßte?
Ich habe sowas schon erlebt, aus nächster Nähe,
bei meinen Bruder. Und er ist tot, Alma! Er ist tot. Du sollst
doch meine Ehefrau werden und nicht mein Kollege!
ALMA Du willst
doch damit nicht sagen, daß ich das Komponieren aufgeben
muß?
MAHLER Ja,
aber selbstverständlich mußt du das, Alma! Wie
sollte das denn gehen, wenn du für mich oder das Haus
oder für was auch immer etwas besorgen sollst, du aber
gerade in «Stimmung» bist und lieber komponierst?
Mißverstehe mich bitte nicht! Glaube nicht, daß
ich mir meine Frau nur als eine Art Zeitvertreib denke, im
Gegenteil. Ich will es dir beweisen: Ich mache dir ein Angebot:
ich biete dir an, von nun an meine Musik als die deine anzusehen.
- Wir reden auch gleich von deiner Musik, keine Angst. - Ich
wiederhole meine Frage: ist es dir möglich, meine Musik
als die deine anzusehen?
ALMA Deine
Musik als die meine anzusehen...?!
MAHLER Ja.
Ich muß das wissen.
ALMA Aber...
meine Musik ist doch ganz anders als deine... Das kann man
doch überhaupt nicht vergleichen?!
MAHLER Ja
oder nein?
ALMA Weißt
du eigentlich, was du da verlangst von mir? Du verlangst von
mir, daß ich das aufgebe, was mir das Liebste ist in
meinem Leben, was mir die größte Freude bedeutet
und das größte Glück. Du verlangst, daß
ich mich aufgebe, wenn du verlangst, daß ich auf meine
Arbeit verzichte!
MAHLER Arbeit?
Was ist denn das für eine Arbeit? Komponieren? - Dir
zum Vergnügen oder um den Besitz der Menschheit zu vermehren?
Du hast doch von nun an einen Beruf: mich glücklich zu
machen!
ALMA Und
was ist mit meinem Glück?
MAHLER Darum
werde ich mich kümmern. Du brauchst keine Angst zu haben.
Ich weiß sehr wohl, daß du selbst glücklich
werden mußt, um mich glücklich machen zu können.
ALMA Also
schön, aber wer fängt zuerst damit an, den anderen
glücklich zu machen?
MAHLER Alma,
ich mache keinen Witz.
ALMA Was
du forderst ist viel.
MAHLER Ja,
ich fordere viel, sehr viel - und ich kann und darf es, denn
ich weiß, was auch ich zu geben habe und geben werde.
ALMA Ich
kann es dir nicht sagen. Ich weiß nicht, ob ich das
kann. Ob ich stark genug bin. Ich bin... Mir bleibt das Herz
stehen. Ich fühle mich, als hättest du mir mit kalter
Faust das Herz aus der Brust genommen. Meine Musik hergeben...
weggeben... das, wofür ich bis jetzt gelebt habe... Ich
muß überlegen... Ich bin ratlos... - Warum können
wir beide es denn nicht einfach schön haben?
MAHLER «Schön
haben»??! Almschi! Zu einer Liebelei darf es zwischen
uns nicht kommen. Niemals. Wenn wir uns wieder sprechen, muß
alles zwischen uns klar sein, verstehst du. Du weißt
jetzt, was ich von dir verlange, erwarte, und was ich dir
bieten kann - und was du mir sein mußt. Vetraue mir
daher erbarmungslos alles an, was du mir zu sagen hast. Denn
viel lieber jetzt noch eine Trennung zwischen uns, als einen
Selbstirrtum weitergeführt. Denn wie ich mich kenne,
würde das schließlich für uns beide zu einer
Katastrophe. (Küßt sie auf die Stirn.) Ich erwarte
morgen deine Antwort.
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