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The Polydrama
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5c ON THE ROAD TO PALESTINE
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Palästina, 1925. ALMA und FRANZ WERFEL , die zionistische Pionierin HULDA und Chauffeur PAUL.

ALMA   (mißmutig zu Werfel:) Dein Palästina!

WERFEL   Das hätte uns in «deinem Indien» genauso passieren können.

ALMA   Seit wir auch nur einen Fuß in dieses gottverdammte Land gesetzt haben, gibt's nichts als Schwierigkeiten!

WERFEL   Wie kannst du das sagen? Ich fühle mich herrlich! Ein Erlebnis jagt das andere.

ALMA   Ja, ja! Was für Erlebnisse, was für Eindrücke! Ein Feuerwerk an Sinnlosigkeiten! - Ein völlig überflüssiger Ausflug von Kairo nach El Arish, in einem verlausten Zug, eine eiskalte Nacht in einer finsteren, verstunkenen Bahnstation in El Kantara - unvergeßlich, unvergeßlich! Ach, und dann diese herrlich-endlose Paßkontrolle! Wunderbar! Einfach fabelhaft! Ganz zu schweigen von dem bezaubernd häßlichen russischen Juden, den man uns an die Seite gestellt hat.

WERFEL   Ich fand ihn sehr charmant.

ALMA   Sehr charmant, ja! - Bis er herausfand, daß ich keine Jüdin bin. Da wurde er besonders charmant, dieser widerliche Chauvinist.

WERFEL   Das einzige, was dich gestört hat, war sein Humor.

ALMA   Was denn für ein Humor?! «Schauen sie, Frau Werfel, machen sie sich keine Sorgen, solange sie mit ihrem Gatten reisen, sind sie für uns auch eine Jüdin!» - Köstlich! Zum Schieflachen!

WERFEL   Es ist typisch jüdischer Humor.

ALMA   In meinen Augen ist das nichts weiter als abstoßender Chauvinismus.

WERFEL   Alma, mein Schatz, die Leute hier tun wirklich ihr Bestes, um uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.

ALMA   Wer hat sie denn darum gebeten? Hä?! Wer hat denn zum Beispiel diesen langweiligen Seligmann gebeten, uns stundenlang mit Geschichten über seine blödsinnige Familie zu löchern?!

WERFEL   Er wollte doch nur herausfinden, ob wir gemeinsame Verwandte haben.

ALMA   Warum solltest du mit ihm verwandt sein? Warum?! Das ist doch zu blöd. Was gibt ihm das Recht, seine Nase in unsere Familienangelegenheiten zu stecken?!

WERFEL   In meine, mein Schatz, nur in meine.

ALMA   Immerhin bin ich deine Frau, ja? Also geht es mich genauso an!

WERFEL   Kinder eines auseinander gerissenen Volkes, meine Liebe! Ohne Hoffnung, ohne Land! Über die ganze Welt verstreut! Sie können eben der Versuchung nicht widerstehen, die Pfade zu verfolgen, in denen die Fußstapfen ihre Eltern der Welt eine Katastrophe erzählen.

ALMA   Ahhh! Wie poetisch! Wie poetisch! Seit langem endlich wieder einmal ein dichterisches Zeichen von dir! Bravo! Bravo!

WERFEL   Wie sollte ich denn schreiben, Liebste, wenn du nicht müde wirst, mich Tag und Nacht daran zu erinnern, daß ich nicht Thomas Mann bin?!

ALMA   Es ist die Wahrheit, Franz. Die bittere Wahrheit. Du bist nicht Thomas Mann. Noch nicht. Obwohl du hundertmal mehr Talent hast...!

WERFEL   Ich möchte aber gar kein Thomas Mann werden, verstehst du, meine Liebe! Ich möchte nicht! Ich möchte ein Franz Werfel werden, sonst gar nichts!

ALMA   In dem Fall brauchst du dich gar nicht sehr anzustrengen. Du mußt überhaupt nichts tun. Entspann dich, iß, trink', rauch, genieß' das Leben, dann wirst du in kürzester Zeit so aussehen wie Franz Werfel: fett, schwabbelig und ungustiös! Wähhhhh!!!

WERFEL   Hört, hört! Wer spricht denn da? Die schlanke, ranke Alma?

ALMA   Oi, oi, oi! Was ist denn auf einmal los mit dir, Franzl? Warum bist du denn plötzlich so agressiv, so mutig? Das kenn' ich ja gar nicht an dir. Ich frage mich wirklich, was dich auf einmal so kühn und verwegen macht?

WERFEL   Weil ich bei meinem Volk bin, nicht wahr? Das willst du doch in der dir eigenen geschmackvollen Art sagen?

ALMA   Offensichtlich genießt du es ja, bei «deinem Volk» zu sein. In vollen Zügen!!

WERFEL   Was für ein scharfes Auge du hast, Alma. Ein Adlerauge. Ja, es stimmt, ich genieße jeden Augenblick meines Besuches hier in Eretz Israel.

ALMA   Du findest ja auch diesen gräßlichen Ausflug bezaubernd, die ganze sinnlose Fahrt von Jerusalem bis hierher in diese sumpfige Einöde, nur um irgendeine gottverlassene Ansiedlung jüdischer Pionieren zu besuchen, die wir ja unbedingt gesehen haben müssen!

WERFEL   Exakt. Es ist mir die reine Freude.

Plötzlich eine kurze Explosion, ein kleiner Rauchpilz - und das Auto bleibt mitten auf der Straße stehen.

ALMA   Was ist los?

PAUL   Ich fürchte, wir sitzen fest. Das Auto ist hinüber.

Der Chauffeur PAUL und HULDA steigen aus, PAUL öffnet die Motorhaube und beginnt den Motor zu untersuchen. WERFEL und ALMA bleiben im Auto sitzen.

ALMA   Hinüber? Was soll das heißen «hinüber»?!

PAUL   Der Motor ist ruiniert, irreparabel, er gibt keinen Muckser mehr von sich. In einem Wort: er ist hinüber.

WERFEL   Wollen sie damit sagen, daß wir nicht weiter können? Da versäumen wir ja das Treffen mit ihrer Gruppe und die ganze politische Diskussion.

HULDA   Aber nein, warum sollten wir denn das versäumen? Wir lassen den Wagen einfach hier stehen und gehen zu Fuß weiter. Wir brauchen nur mehr den Hügel da vorne zu überqueren, dann sind wir da. Es dauert höchstens zwei Stunden.

WERFEL   Na schön, dann los! Machen wir uns auf den Weg...!

ALMA   Ohne mich.

WERFEL   Was?!

ALMA   Ohne mich!!

WERFEL   Auch gut. Wie du willst.

ALMA   Ich hoffe, du verirrst dich und krepierst!

HULDA   Ich komme mit. Ich zeige ihnen den Weg.

WERFEL   (geht los, dreht sich dann noch einmal um:) Was ist los, Alma?! Kommst du?!

ALMA   (klettert zurück ins Auto:) Ich denke gar nicht daran. Ich mache keinen Schritt.

WERFEL   Mein Gott, du kannst doch nicht hierbleiben. Mitten in der Wüste!

ALMA   Das ist mir wurscht! Dieses Automobil ist meine einzige Rettung, meine letzte Verbindung zur Zivilisation, ich bewege mich hier keinen Schritt weg, und wenn es mich das Leben kostet!

PAUL   Keine Angst, ich bleibe hier, bei Ihnen. Ich versuche es weiter. Vielleicht haben wir Glück.

WERFEL   Alma, ich flehe dich an... sei doch vernünftig!

ALMA   Geh! Geh! Geh! Verschwinde! Du rücksichtsloser Egoist! Du Unmensch!

WERFEL   Na schön. Du hast es so gewollt. Adieu! Adieu!!!

WERFEL und HULDA machen sich auf den Weg. ALMA bleibt mit PAUL zurück.