7d THE SLUT AND THE PRIEST
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Ein Hotelzimmer in Wien, 1938, kurz vor dem Anschluss. Pater
Johannes Hollnsteiner, nackt, im Bett, U.S. Alma erfrischt
sich im Baudoir.
ALMA Oh
Holy, Holy, Holylein!
HOLLNSTEINER Alma,
ich habe dich gebeten, mich nicht so zu nennen.
ALMA Warum
denn nicht, Holy? Was gefällt dir denn daran nicht?
HOLLNSTEINER Es
klingt fremd, es klingt... englisch, wenn du es ganz genau
wissen willst.
ALMA Was
ist denn jetzt schlecht an Englisch?
HOLLNSTEINER Es
ist eine dekadente, degenerierte Sprache, das weißt
du doch...
ALMA Englisch
ist eine degenerierte Sprache?!
HOLLNSTEINER Nicht
(nur) genug, daß es englisch klingt, es klingt auch
auf eine sehr un-angenehme Weise amerikanisch. Auf eine sehr
unangenehme Weise, wenn du weißt, was ich meine. Es
klingt jüdisch. Und es erinnert mich an Holly-wood.
ALMA Hollywood?
Wir sollten dort leben, wir zwei.
HOLLNSTEINER Bist
du von verrückt? Was redest du denn?
ALMA Mein
Gott, Hollilein! Es ist ein Traum! Träum ihn mit mir!
HOLLNSTEINER Ein
Traum? Alma, bitte vernünftig, ja?! Wovon redest du denn?
ALMA Hast
du denn gar keine Träume, Holylein?!
HOLLNSTEINER Natürlich
habe ich Träume, Alma. Ich habe sogar einen sehr sehnsüchtigen
Traum, doch er ist unerfüllbar... Aber er ist es wert,
daß man ihn träumt.
ALMA Laß
ihn mich wissen, Holy.
HOLLNSTEINER Ich
träume von Österreich - als den einen, den einzigen,
den besseren, wahrhaftigen, reinen, deutschen Staat. Als die
Nation einer neuen Rasse. Als neues römisches Weltreich.
ALMA Oh,
Holy, Holy, Holy! Deine Träume sind so fad!
HOLLNSTEINER Alma!
Noch einmal diesen Namen und ich gehe. Du weißt, daß
ich nicht scherze. Mein Name ist Hollnsteiner - und ich bestehe
darauf! Ich bestehe darauf!!
ALMA Beruhige
dich, ja? Beruhige dich bitte!
HOLLNSTEINER Ich
weiß genau, warum du mich Holy nennst. Ich
weiß das ganz genau! Du willst das Schicksal herausfordern,
du willst es auf die Probe stellen! Ich kenne die englische
Bedeutung dieses Wortes! Du willst mich nur daran erinnern,
daß ich das Zölibat gebrochen habe. Und du hast
Recht. Ich habe einen Meineid auf mich geladen. Ich habe gesündigt.
Ich habe die heilige katholische Kirche verraten. Für
Dich, Alma. Für Dich. Ich bin ein falscher Prophet, ich
bin ein Scharlatan, ein Pharisäer, voll von Sünde,
voll von Schuld. Aber ich schäme mich nicht, Alma! Ich
schäme mich nicht! Ich bin kein Gottesmann mehr. Ich
bin ein ganz gewöhnlicher Sünder. Ich möchte
die Beichte ablegen...!
ALMA (kommt
aus dem Bad) Du bist ein Heiliger, Johannes! Ein Prophet!
Seit dem Tag, an dem du die Rede an Manons Grab gehalten hast,
weiß ich das. Ich liebe jedes Wort, das du über
mein Kind gesagt hast, du hast sie unsterb-lich gemacht, mein
Kind, mein einziges Kind! Das werd ich dir nie verges-sen!
HOLLNSTEINER Dein
einziges Kind?
ALMA Es stimmt.
Ich hatte nie ein anderes.
HOLLNSTEINER Alma,
versündige dich nicht! Du hattest doch Putzi... mit Gustav...
Und du hast auch noch Anna, um Gottes Willen!
ALMA Anna?
HOLLNSTEINER Anna
Mahler. Sie ist Deine Tochter.
ALMA Anna
zählt nicht. Sie ist ein Mischling. Sie ist Halbjüdin.
Manon war die einzige, die mir rassisch angemessen war. Und
du hast für sie die Worte gefunden, die sie verdient.
In deiner Totenrede hast du sie unsterblich ge-macht, diesen
Engel. Und dafür liebe ich dich, Holy, mein Holylein.
HOLLNSTEINER Alma,
ich flehe dich an: Bitte nenn mich nicht Holy!
ALMA (zu
ihm ins Bett) Du brauchst keine Angst zu haben vor der englischen
Be-deutung. Ganz im Gegenteil. Ich fühle jedesmal, wenn
du mich in meinem Innersten berührst, daß du heilig
bist.
HOLLNSTEINER (seufzt
leidenschaftlich) Alma, oh Alma!
.
ALMA Ich
habe einen Traum. Ich sehe uns beide in Hollywood. Dort gehören
wir hin! Ja, Deine Assoziationen waren richtig! Schau uns
doch an: wir sind schön, wir sind rein-rassig, wir sollten
in einem Hollywoodfilm auftreten! Katharine Hepburn könnte
mich spielen und Clark Gable soll Deinen Part übernehmen.
Werfel wird das Script schreiben.
HOLLNSTEINER Ich
verbiete es Dir.
ALMA Du verbietest
es mir? Mein armer Holy! Der Mann, dem ich es gestatte mir
etwas zu verbieten, ist noch nicht geboren worden.
HOLLNSTEINER Alma,
das betrifft nicht nur dich, es geht auch mich etwas an!
ALMA Schämst
du dich etwa für das, was du mit mir tust?
HOLLNSTEINER Nein.
Aber es ist nicht für andere Ohren und Augen bestimmt.
Schon gar nicht für die deines bedauernswerten Ehemannes.
ALMA Wage
es nicht noch einmal, Franzl bedauernswert zu
nennen.
HOLLNSTEINER Wie
würdest du es denn bezeichnen?
ALMA Ersteinmal
ist er nicht im geringsten bedauernswert. Denn ich habe ihn
erwählt, ich habe ihn geheiratet. Und er ist glücklich,
weil ich ihn liebe.
HOLLNSTEINER Du
liebst ihn? Ich dachte, daß Du ganz und gar mir gehörst?
ALMA Wenn
ich bei Dir bin, ja. Aber wenn ich bei Franzl bin, bist du
so gut wie vergessen. Dann gehöre ich ihm. Bedingungslos.
Und weißt du was? Immer wenn ich von Dir komme, bin
ich besonders hingebungsvoll, liebend und leidenschaftlich.
Ist das nicht komisch? Ha ha! Und er ist mir fast dankbar
dafür! Ha ha! Ich glaube fast, daß ist einer der
Gründe, daß er dich mag. Ein bißchen.
HOLLNSTEINER Dein
Mann weiß von uns?!
ALMA Was
soll diese Frage?
HOLLNSTEINER Alma,
mach mich nicht wahnsinnig! Gib mir doch einmal eine klare
Ant-wort! Du bist unmenschlich! Weiß er von den Dingen,
die zwischen uns ge-schehen?!
ALMA Woher
soll ich denn wissen, was Franz Werfel weiß?
HOLLNSTEINER Hast
du es ihm erzählt?
ALMA Was?
HOLLNSTEINER Antworte
mir!
ALMA Ob ich
ihm was erzählt habe?
HOLLNSTEINER Du
weißt, was ich meine.
ALMA Nein.
HOLLNSTEINER Alma,
warum quälst du mich so?
ALMA Holy,
mein Schatz, die Dinge in der Welt haben einen Namen. Man
kann sie in Worte fassen. Du bist doch ein Mann des Wortes,
oder nicht?
HOLLNSTEINER Warum
tust du das mit mir?
ALMA Dann
verwende sie auch. Sei ein Mann! Nenn deine Taten beim Namen.
Wir leben nicht im Mittelalter, wir schreiben 1938, wir sollten
froh sein dar-über.
HOLLNSTEINER Alma,
du treibst mich an den Rand des Wahnsinns! Was willst du denn
von mir hören, um Gottes Christi Willen?! Ich frage doch
nur, ob du Franz Werfel von uns erzählt hast!
ALMA Was?
Daß ich die erste Frau deines Lebens war?
HOLLNSTEINER Alma!
Bitte! Nicht!
ALMA Deine
Lehrmeisterin, die dich unterrichtet hat, wie man küsst,
wie man Frauen in die Arme nimmt,...
HOLLNSTEINER Alma!
Nicht..!
ALMA ...
ihre Brüste berührt, sie saugt, leckt, bis ihre
Nippel hart werden und sie die Beherrschung verlieren...?
HOLLNSTEINER Alma,
nicht, ich bitte dich...! Ich bitte Dich!!!
ALMA Das
ich die erste war, die dir die Hose geöffnet, dein Allerheiligstes
he-rausgenommen, mit den Fingern berührt und gerieben
hat, die deinen pul-sierenden Schwanz in die Faust...
HOLLNSTEINER Alma!
Bitte! Nicht!
ALMA ...
und dann in den Mund genommen hat um ihn zuletzt wie eine
Monstranz im Altar zu versenken...?
Voll Leidenschaft will sich Hollnsteiner auf Alma werfen.
Sie stoppt ihn.
ALMA Nein,
mein Lieber, nein, nein, nein. Erst sagst du mir schön,
was es ist, von dem ich Franz Werfel erzählt haben soll!
HOLLNSTEINER Hast
du ihm gesagt, daß wir ein Liebespaar sind?
ALMA Ein
Liebespaar? Ist das alles was Dir zu uns einfällt?
HOLLNSTEINER Hast
du oder hast du nicht?
ALMA Als
ich merkte, was Deine Gegenwart für mich bedeutet, was
du mit einer Frau in ihren späten Fünfzigern anzustellen
vermagst, konnte ich es gar nicht fassen! Ich fühlte
mich wie Sechzehn, ich verlor allen Boden unter den Füssen!
Und nun weiß ich nicht mehr, wo ich bin. Gott, im Himmel!
Die unbegreifliche lange Nacht dieses Winters ist einem föhnigen
Frühlingsah-nen gewichen. Es ist kaum zum Aushalten!
Und Du sprichst von uns als Liebespaar?! Gerechter
Gott! Warum sind Männer so unwissend?
HOLLNSTEINER Bitte
nimm nicht den Namen des Herrn in den Mund, wenn du über
diese Dinge sprichst! Außerdem hast du Unrecht. Du weißt
ganz genau, was auch ich aufs Spiel setzte, wann immer wir
uns treffen.
ALMA Was
denn schon? Deine kleine hohle Existenz als Priester?
HOLLNSTEINER Ich
achte meine Grundsätze.
ALMA Und?
Achtest du auch unsere Liebe?
HOLLNSTEINER Aber
selbstverständlich.
ALMA Und
glaubst du, daß Gott der Allmächtige uns zusammengeführt
hat?
HOLLNSTEINER Ich
glaube.
ALMA An Gott,
den Allmächtigen?
HOLLNSTEINER An
Gott, den Allmächtigen.
ALMA Schöppfer
des Himmels und der Erde?
HOLLNSTEINER Schöppfer
des Himmels und der Erde.
ALMA Und
an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn?
HOLLNSTEINER Und
an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn.
ALMA Empfangen
von der Jungfrau Maria?
HOLLNSTEINER Empfangen
von der Jungfrau Maria!
ALMA Gelitten,
gekreuzigt und begraben?
HOLLNSTEINER Gelitten,
gekreuzigt und begraben!
ALMA Am dritten
Tage wieder auferstanden von den Toten?
HOLLNSTEINER Am
dritten Tage wieder auferstanden von den Toten!! - (erregt)
Oh Alma, du bist wunderbar!!!
ALMA Du hast
wirklich keine Ahnung, was das ist: eine Frau...!
HOLLNSTEINER Nein,
da hast du recht, ich weiß es nicht.
ALMA Was?
Das wagst du mir ins Gesicht zu sagen? Geh! Auf der Stelle!
HOLLNSTEINER Alma,
ich bitte dich ----
ALMA Nein,
laß mich zufrieden. Rühr mich nicht an! Das ist
wohl die größte Belei-digung, die ich mir jemals
anhören mußte.
HOLLNSTEINER Alma,
ich bitte dich um Vergebung! Entschuldige
ALMA Mir
das zu sagen, nach allem, was ich geopfert, was ich für
dich getan ha-be! Meine Zuwendung, meine Gefühle, meinen
Leib, mein Leben, meine Liebe habe ich Dir gegeben! Und meine
Erfahrung - nicht zu vergessen - ohne die du heute eine geschlechtslose
Tabernakelwanze wärest!
HOLLNSTEINER Ich
weiss.
ALMA Was
weisst du?
HOLLNSTEINER Ich
weiss jetzt, was eine Frau ist.
ALMA So?
HOLLNSTEINER Ja.
Die Frau. Die Frau schlechthin.
ALMA Na,
da bin ich aber gespannt.
HOLLNSTEINER Ich
traue mich nicht. Es wäre mein Innerstes, das ich nach
außen kehren müsste...
ALMA Komm,
komm, komm! Laß mich teilhaben an deiner Erkenntnis.
HOLLNSTEINER Die
Frau schlechthin
das bist du!
ALMA Oh,
wie charmant.
HOLLNSTEINER Willst
du immer noch, daß ich darüber spreche? (wissen,
wie ich über sie denke?) Ich habe sie ja nur durch dich
kennengelernt und werde nie einen Vergleich haben. Die bist
die erste und wirst die letzte sein.
ALMA Das
hoffe ich.
HOLLNSTEINER Wer
zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich
hier zusammenkamen? Wer wird sie aufzählen, wer wird
sich an sie erinnern, an all die Lügen und Halbwahrheiten,
an all die Tricks und Intrigen, die die Frau geschmiedet hat,
um die Männer an sich zu fesseln, an jeden Kuhhandel,
auf den sie sich einliess, um sie bei sich zu halten, bis
ans Ende ihrer Tage, bis ihre Rose alle Blätter verloren
hat und ihr die Dornen wie faule Zähne aus dem Maul fallen?
Voll Rücksichtslosigkeit und ohne Skrupel und Moral,
mit Trä-nen, die Du ach so leicht vergiesst, in Wankelmut,
in Frechheit und Ge-schwätzigkeit, Deine Ränke und
Komplotte, Deine Achtlosigkeit und Deine Vergeßlichkeit,
sobald Du jemanden verletzt hast, Deine Freude an der Bosheit,
Deine Mißgunst gegenüber allen anderen Geschlechtsgenossin-nen,
Deine Undankbarkeit, Deine aalglatte, gerissene Fähigkeit,
das eine zu sagen und das andere zu meinen, und alles in einem
Satz, in einem A-temzug, Deine unerwarteten Drehungen und
Wendungen, mit all ihren An-sprüchen und Launen, voll
Stolz und falscher Bescheidenheit, Deine hündi-sche Ergebenheit,
Dein falscher Gehorsam, Dein Tratsch und Klatsch, Dei-ne herrliche
Selbstaufgabe, Deine Prostitution und Deine Magie, Deine Lü-gen,
Deine Verachtung, Deine verruchte Sprache, Deine Vulgarität,
Dein ordinäres Verlangen nach allem was schmutzig und
verboten ist, Deine ständige Bereitschaft, alles einzusetzen,
das eine Ziel zu erreichen, das du dir in den Kopf gesetzt
hast, jedes Mittel recht, gepaart mit der völligen Abwesenheit
von Logik und Vernunft, das Leugnen jeder Spur von Reue für
deine Missetaten, Deine Fähigkeit, dich hinzugeben, als
wäre es das letzte Mal, die Männer zu erweichen
und zu herzen und zu kosen, zu verhätscheln und verzärteln
für einen einzigen, intimen Augenblick, für den
Bruchteil ei-ner Ewigkeit - und sie dann zu entmannen, in
aller Öffentlichkeit, sie zu verleugnen und zu verraten.
Und am Ende steht doch nur der Wunsch, ihr bißchen Seele
von allen Sünden reinzuwaschen.
Deshalb wird sie dich im Geheimen immer lieben, aber nur um
dich dann im Angesicht der Welt herabzuwürdigen, zu verleugnen
wie einst Petrus unse-ren heiligen Herrn, und dich mit Spott
und Hohn und Dornen zu übergies-sen. Oh welche Pest,
welche Seuche, welches Golgatha nimmt man in Kauf, nur für
den einen, heiligen, unauslöschlichen Moment, der uns
ein bißchen Paradies schmecken läßt! Aber
der Preis ist hoch! Lebenslange Sommerfrische - in der Hölle.
Gibt es denn einen größeren Fluch als in die Fänge
einer Frau zu geraten, und dann auch noch länger mit
ihr zu tun ha-ben zu müssen als die vage Zeitspanne einer
Kopulation, wo sie ihn doch nur in ihrem Abdomen festhält
und krampfhaft Ewigkeit wünscht, wo Ver-gänglichkeit
herrscht, da sie ihn doch nur in ihre Gebärmutter aufnimmt,
um ihn in dieser Grotte erblinden und ertauben zu machen und
ihn der ewi-gen Verdammnis anheimfallen zu lassen?
ALMA Oh Holly,
das ist die schönste Liebeserklärung, die mir je
gemacht wurde! Ich liebe Dich! (öffnet ihre Arme) Mach
mit mir was du willst!
HOLLNSTEINER Komm
Alma, ich bringe Dich nach Hollywood...!
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