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Das Polydrama
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Sobol
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3d KITCHEN GOSSIP
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Küche. RESERL wäscht blutige Laken aus. Am Herd kocht Essen. BURCKHARD kommt. (Im Laufe der Szene stoßen KLIMT und Zemlinsky dazu.)

BURCKHARD Reserl, was machen Sie da?

RESERL   Ich arbeite.

BURCKHARD   Sie waschen Ihre blutige Wäsche aus? Hier in der Küche? Sind Sie verrückt?

RESERL   Es ist nicht meine Wäsche, die ich wasche.

BURCKHARD   (anzüglich:) Haben Sie Ihre Tage oder was ist los?

RESERL   Es ist das Bettzeug meines Herrn. – Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe!

BURCKHARDIhres Herrn?(es dämmert ihm:) Ahh – hat er... Hat er sie schon...?

RESERL   Seien Sie still! Sie sind gräßlich! – Es ist nicht so wie Sie denken.

BURCKHARD   A feiner Herr, der Herr Mahler! So kurz vor der Hochzeit! Hätt er nicht warten können?

KLIMT   (nimmt vom Essen auf dem Herd:) Max, Max! Hier - Kosten Sie!

BURCKHARD (kostet) Wähhhh...!!! — Was ist das?!! Reserl, was kochen Sie da?

RESERL   Ach, fragen Sie  mich nicht. Es ist ein Jammer.

BURCKHARD   Es schmeckt wie Mazzes mit Rhizinusöl. Was ist das?

KLIMT   Pürriertes Vollkornbrot mit Äpfeln.

BURCKHARD   Pürriertes Vollkornbrot mit Äpfeln? Pfui Teufel! Wer will denn sowas essen? – Ah – Ist sie schwanger, hä?! Hahaha!!

KLIMT   Das ist die einzige Nahrung, die Gustav Mahler noch zu sich nimmt.

BURCKHARD   Gustav Mahler? Was hat er? (erfreut:) Ist er krank?

RESERL   Würden Sie das essen, wenn Sie gesund wären?

KLIMT   Er ist wie besessen von dieser Diät. Es kommt ihm nichts anderes mehr auf den Tisch! Keine Hühner, keine Kälber, keine Schweine, nichts, das auch nur nach Leben riecht! Hier ist alles verboten!

RESERL   Ich bin am Verzweifeln!

BURCKHARD   Aber warum denn, Reserl? Was ist los?

RESERL   Er nennt es... seine »bittere Heimsuchung» 

BURCKHARD   Seine was?

KLIMT   Seine «unterirdischen Ströme»

BURCKHARD   Seine «unterirdischen Ströme»? Reserl, wovon reden Sie?

RESERL   Ich schäme mich es auszusprechen.

BURCKHARD   Um Jesu Christi Willen!? Was denn?!

RESERL   Er... er hat ... — Ahhh, es geht nicht!

BURCKHARD   RESERL, Sie werden mich noch böse machen...!

RESERL   Er hat Hä.... Hä... nein, ich kann es nicht! Lassen Sie mich zufrieden.

BURCKHARD   Reserl! Gott und Ihr Schicksal haben Sie in die Lage versetzt, der Menschheit eines der dunkelsten Geheimnisse des 20. Jahrhunderts zu erhellen, die Leidensgeschichte eines der größten Genies unserer Tage! Was sind seine »unterirdische Ströme«, die sich nur durch gekochte Äpfel ertragen lassen?

RESERL   Es sind .... Gott schütze mich!.... (flüstert) Hämorrhoiden.

BURCKHARD   (erstaunt) Hämorrhoiden?!!!

KLIMT   Well, nebbich! Hämorrhoiden! – Das weiß doch schon ganz Wien!

RESERL   Was wissen Sie davon?!

ZEMLINSKY   (geheimnisvoll:) »Es war in einer kalte Winternacht... Die Nacht des 24. Februar 1901. Gustav Mahler dirigiert zu Mittag die 6. Symphonie – und am Abend in der Oper die Zauberflöte... Er leidet... Und wie er leidet! (Er kratzt sich am Hintern, singt parodierend: »In diesen heil‘gen Hallen kennt man die Rache nicht, kann kein Verräter lauern, weil man ihm gleich vergibt!«) «Weiß das Gesicht, Kohlen seine Augen. Er schaut aus wie Luzifer...! Das kann ein Mensch nicht aushalten. Mit einer solchen Intensität kann man nicht zwei Wunder an einem Tag gestalten ohne daran zugrunde zu gehen.« (Er zögert, stockt, hält inne. Zieht ein kleines Buch hervor, blättert darin.) – Moment, Moment... gleich, gleich... wie geht‘s denn weiter...?

RESERL   Was haben Sie da?

ZEMLINSKY   Ihr Tagebuch!

RESERL   Sie sind ein Scheusal! (versucht, ihm das Buch wegzunehmen) Geben Sie das her, Sie Teufel!

KLIMT   (geht dazwischen:) Reserl, Gott und die Wahrheit – noch besser bekannt als der Teufel – liegen in den schändlichsten Details, merk Dir das. – Lies vor!

BURCKHARD   Also in dieser Nacht richtet sich Almas Aufmerksamkeit zum ersten Mal auf das Genie Gustav Mahlers! – Sie denkt an das Feuer seines Geistes – und spürt die Flammen in seinem Arsch! Sie verliebt sich in seine Hämorrhoiden!

RESERL   Ich hasse Sie, ich hasse Sie, ich hasse Sie alle... Sie sind abscheulich!!

ZEMLINSKY   Könntest du dich in mich verlieben, Reserl?

RESERL   In Sie?!

ZEMLINSKY   Schau mich an, Reserl! – Ich bin Gustav Mahler. Ich bin verrückt nach dir! Ich bin verrückt nach dir, so wie er in jener Nacht verrückt nach seiner Alma war! Du bist das süßeste und bezaubernste Wesen, dem ich je begegnet bin. – Reserl, stell dir vor, du wärst Alma

RESERL   Ich ... Alma?

ZEMLINSKY   Was würdest du sagen, wenn ich jetzt um deine Hand anhalten würde?

RESERL   Mich heiraten?! Der Herr Direktor Mahler.... – Das würde er nie tun!

ZEMLINSKY   Stell es dir einfach vor...

RESERL   Das kann ich nicht.

ZEMLINSKY   Natürlich kannst du das! Jede Frau der Welt kann das, sie muß nur ihren Gustav treffen.

RESERL   Ihren „Gustav“ treffen?

ZEMLINSKY   Lies, lies!!! – (Gibt ihr einen Zettel:) Das habe ich für Dich geschrieben. In all den Nächten, in denen ich einsam in meinem Zimmer lag und ...

RESERL   Sie? Sie haben das geschrieben? Für mich? (liest:)
 »Das kam so über Nacht!
Hätt‘ ich‘s doch nicht gedacht,
Daß Contrapunkt und Formenlehre
mir noch einmal das Herz beschwere!
So über eine Nacht – Gewann es Übermacht!
Und alle Stimmen führen nur
mehr homophon zu einer Spur...«
Wie schön! Wie wunderbar!!

ZEMLINSKY   Weiter, weiter!

RESERL   »Das kam so über Nacht
ich habe sie durchwacht –
Daß ich, wenn‘s klopft, im Augenblick
die Augen nach der Türe schick‘!«
(alle blicken zur Tür) – Das ist ja wie ein Traum!

ZEMLINSKY   Es ist ein Traum! Es ist ein Traum!

KLIMT   Wo hat er das her?!

BURCKHARD   Er hat es ihr geschickt – nach ihrer ersten Begegnung!

RESERL   Wie bewegend! Wie wunderbar! Das ist Liebe auf den ersten Blick! Wie schön!

ZEMLINSKY   (flüsternd): Alma! Verlang von mir, was du willst, was immer du willst! – Ich mache dich zur Dirigentin des Hofopernorchesters!

RESERL   Oh...! Wie ist das herrlich! Wie ist das schön!!!

BURCKHARD   Sie verdirbt sich doch ihr Leben, indem sie diesen rachitischen und degenerierten Juden heiratet. Todkrank, verschuldet und impotent!!! Frisst nur Vollkornbrot und Obst... Und genauso komponiert er auch!

RESERL   Das stimmt nicht! – Seine Lieder sind sehr schön...!! (intoniert ein Lied)
ALLE (zugleich:) Seine Lieder? Woher kennst du die?

RESERL   (deutet auf die Gegensprechanlage:) Ich habe zugehört, wie er sie ihr vorgespielt hat.

KLIMT   Ach, sieh mal einer an! Du belauscht Deine Herrschaft?!

BURCKHARD   Seine Diätmusik?! Mit dem unwiderstehlichen Charme von Apfel-kompott?! Verfehlt seine Wirkung nie – als Abführmittel! Verschon uns damit!

BURCKHARD   dirigiert ein imaginäres Orchester, das den Trauermarsch aus der 1. Symphonie (das »Frere Jacques«–Thema) spielt. Er und Klimt benutzen Küchengeräte als Instrumente und machen einen Höllenkrawall.

RESERL   (zu Zemlinsky:) Sie muß zu ihm hinauf! Sie lebt ja nur von ihm. Aber er will sie anders, ganz anders... und auch sie will es. Es gelingt ihr auch, solange er bei ihr ist – aber wenn sie allein ist, dann kommt ihr zweites, eitles, schlechtes Ich und begehrt Auslaß. Aus ihren Augen strahlt Frivolität, ihr Mund lügt. lügt in einem fort. Und er... fühlt es... weiß es... – Er beschwört sie zu reden... und sie... kann kein warmes Wort finden. Keins. Das kann das Ende sein...! – Wenn Sie also ihre Freund sind, beschwöre ich sie: reden sie mit ihm. Reden Sie mit ihm, so ernsthaft und aufrichtig, wie es ihnen nur irgend möglich ist. Sagen sie ihm, daß er seinen Fluch von Alma Schindler abziehen soll, weil sie frei sein will, frei sein muß! Hören sie, was ich sage?! Sie muß frei sein, sie darf sich nicht fesseln lassen. Sagen sie ihm das, wenn sie wirklich ihr Freund sind.

RESERL wird unterbrochen von Alma (Beginn „Pantalone Jokes“:)

ALMA   Ich brauche etwas zu trinken! Gebt mir etwas zu trinken! Einen Schnaps! Gebt mir Schnaps! Ich brauche Schnaps!!