Format 27/99 vom 5 . 7. 1999
Ich bin ein scheues Reh
Paulus Manker, genialer Bühnenberserker, zeigt seine
Filmversion der Kultaufführung "Alma" und nimmt
die Theaterproduktion wieder auf. Das Interview über
Genie und Wahnsinn.
von Elisabeth Kirschmann-Altzinger
Seinem Ruf als "exzentrisches Arschloch" ("Spiegel")
und genialer Wahnsinniger mit bedrohlichem Aggressionspotential
macht er alle Ehre. Paulus Manker, Österreichs radikalster
Schauspieler, Theater- und Filmregisseur vergißt keinen
Moment, was die Öffentlichkeit von ihm erwartet: "Sind
Sie glücklich mit Ihrem Mann, oder nutzt er Sie aus?"
fragt er zu Beginn des Interviews angriffslustig. Wenig später:
"Sie sind derzeit im grünen Bereich, aber wenn Sie
mir noch eine blöde Fragen stellen, schmeiß ich
Sie beim Fenster raus." Mehrfach droht er Schläge
an: "Ich bestimme hier die Fragen. Oder wollen Sie geschlagen
werden?"
Furioses Spektakel. Als er von seinem turiosen Theaterspektakel
"Alma - A SHOW BIZ ans ENDE" zu erzählen beginnt,
wird er plötzlich fromm wie ein Lamm. "Ich bin ein
scheues Reh. Nur die Medien haben mich zu einem gewalttätigen
Monster gemacht." Um sofort schroff hinzuzufügen:
"Sie haben nicht anzuzweifeln, was ich Ihnen sage!""Alma",
Mankers drittes Theaterprojekt nach einem Buch des israelischen
Autors Joshua Sobol, wurde 1996 als Eigenproduktion der Wiener
Festwochen im Sanatorium Purkersdorf uraufgeführt und
erwies sich als so erfolgreich, daß das Stück diesen
Sommer zum dritten Mal wiederaufgenommen wird. Ende August
geht die hundertste Vorstellung über die Bühne.
Vorausgegangen waren dem Publikumsrenner über die berühmt-berüchtigte
Künstlermuse Alma Mahler-Werfel die Sobol/Manker-Produktionen
"Weiningers Nacht", das Drama des jüdischen
Antisemiten, Frauenhassers und Philosophen Otto Weininger,
sowie "Der Vater", eine Nazigroteske über Hans
Frank, Hitlers
Generalgouverneur in Polen. Auch für sein nächstes
Theaterprojekt arbeitet Manker mit Sobol zusammen. "Ich
liebe ihn sehr", erklärt der Schauspielkünstler
mit den langen schwarzen Haaren und dem flackernden Blick.
"Wir arbeiten gerade an einem Stück über Falco,
das im März 2000 im Raimundtheater herauskommt. Natürlich
alles andere als ein Musical, vielmehr Musiktheater mit Falcos
Liedern."
Die dreiteilige, soeben fertiggestellte "Alma"-Verfilmung,
eine Koproduktion von ORF und arte, an der Manker drei Jahre
gearbeitet hat, wird im Juli vom ORF ausgestrahlt (siehe Kasten
rechts), die Theaterproduktion ab 15. Juli wiederaufgenommen.
In Sobols "Polydrama", in dem verschiedene Handlungsstränge
gleichzeitig in allen Räumen, im Park und auf der Terrasse
des 1902 von Josef Hoffmann erbauten Kurhauses ablaufen, stellen
drei Almas - von denen besonders Alma eins, Johanna Wokalek,
die beim jüngsten Berliner
Theatertreffen als Rose Bernd ausgezeichnet wurde, besticht
- Episoden aus dem Leben der Powerfrau des Fin de siecle dar.
Manker: "Ich wollte ein Gleichzeitigkeitsdraiiia machen,
bei dein der Zuschauer nur Teile des großen Ganzen sehen
kann. Es gibt drei Almas, der Zuschauer muß sich für
eine entscheiden, mit der er dann einen Streit mit Kokoschka
oder eine Liebesnacht mit Gropius erlebt. Während er
wie ein Voyeur eine Szene betrachtet, versäumt er vier
andere. Er ist nicht omnipräsent, daher auch nicht omnipotent.
Er
kann an einem Abend nur Bruchstücke der Biographie erleben,
aber sich beim Liebesakt auf die Bettkante setzen."
Kulturnutte Alma. Daß der Zuschauer den Darstellern
wie eine Kamera folgt, weist schon bei der Theateraufführung
auf die filmische Dramaturgie hin. "Der Zuschauer wählt
aus, montiert, bestimmt die Distanz. Ein Reisedrama, bei dem
das Publikum ständig unterwegs ist. Alle Szenen aneinandergereiht,
würde es etwa neun Stunden dauern." Und warum wollte
Manker das Leben der Alma Mahler erzählen? "Wir
suchten nach einer starken weiblichen Figur. Da fiel
mir Alma ein, eine mutige Frau, die ein tolles Leben führte.
Sie war besser als ihr Ruf. Man nannte sie Kulturnutte', weil
sie sich einen Künstler nach dem anderen angelte."
Alma Schindler (1879-1964), Tochter des impressionistischen
Malers Emil Schindler, galt als schönstes Mädchen
von Wien. Sie studierte Komposition beim Zwölftöner
Alexander Zemlinsky, der ihr erster Liebhaber war. Manker:
"Er gab ihr nicht nur Klavierstunden. Seine Virtuosenhände
konnte sie nie vergessen." Sie wurde vergöttert
von Gustav Klimt und heiratete mit 22 Jahren den genialen
Vollender und Zerstörer der deutschen Romantik, Gustav
Mahler. Manker: "Mahler
verbot ihr zu komponieren. Das war ungefähr so, als hätte
er ihr Kind getötet."
Ihre weiteren Männer - der Architekt Walter Gropius,
Oskar Kokoschka und Franz Werfel - waren ihrer Ausstrahlung
hilflos ausgeliefert. "Almas sexuelle Energie war unglaublich.
Sie hat ihre Liebhaber zu den höchsten künstlerischen
Leistungen inspiriert. Mahlers letzte Syniphonien wären
ohne Alnia überhaupt nicht denkbar.
Gropius und Werfel waren ihr hörig, Kokoschka verlor
den Verstand. Sie muß wunderbar geblasen haben und pflegte
zu sagen: Nichts schmeckt besser als das Sperma eines Genies.
'"Den "Oberwildling" Kokoschka spielt Manker
selbst. "Er war verschlingend leidenschaftlich, mörderisch
eifersüchtig und gewalttätig. Er war so überreizt,
daß ihm das Blut aus den Fingerkuppen spritzte,;wenn
man draufdrückte. Nach zwei Jahren wurde er ihr so gefährlich,
daß sie ihn in den Krieg schickte, wo er an
einem Kopfschuß fast gestorben wäre. Dann ließ
er sich - nach intimsten Angaben über Brüste und
Schamlippen - eine lebensgroße Alma-Puppe anfertigen,
die er spazierenfuhr. Eine Dienerin mußte sie ankleiden.
Schließlich köpfte er sie in einer wilden Orgie
und warf sie aus dem Fenster.
"Gewalttätige Szenen spielen sich auch ab, wenn
Manker mit Johanna Wokalek Prügel- und Liebesszenen nachspielt.
Im ersten Jahr erlitt die Schauspielerin durch einen Schlag
ihres Partners einen Trommelfellriß. "Der Unfall
war noch ein Glück, denn er hat uns gebremst. Die Leute
überrannten die Vorstellung, weil sie einen Mord erwarteten."
Am Ende des Gesprächs fragt Manker: "Soll ich Ihnen
vorführen, wie es zu dem Unfall kam?"
Totengräberverein
omv sponsert Manker, Filmförderer boykottierten ihn.
Die OMV kam von sich aus auf Paulus Maiiker zu und bot ihm
das Sponsoring (1,5 Millionen S) für die dritte Wiederaufnahme
der Kultproduktion "Alma" im Sanatorium Purkersdorf
an (ab 15. 7.). Zudem ist die Verfilmung von "Alma -
A SKOW BIZ ans ENDE" jetzt in drei Teilen im ORF zu sehen
(Teil 1: 8. 7., Teil 2: 11. 7., Teil 3: 15. 7.).
Regisseur Manker: "Der ORF hat sich von Anfang an, als
es noch keineswegs klar war, daß das Stück ein
Erfolg wird, für das Projekt interessiert. Der damalige
Kulturchef Wolfgang Lorenz wollte zuerst eine normale Theateraufzeichnung
für einen Abend, also die übliche öde Veranstaltung,
was aber angesichts des Simultanprinzips der Aufführung
gar nicht möglich war. Nach Sichtung des Materials dehnte
er die Produktion auf drei Abende aus.
Schlecht zu sprechen ist Regisseur und Produzent Manker hingegen
auf die österreichische Filmförderung, die ihm die
Unterstützung verweigerte. "Der Intendant des Wiener
Filmfinanzierungstonds, Wolfgang Ainberger, hat aus persönlichen
Gründen, womöglich aus Rache, keinen Groschen herausgerückt.
Das ist ein richtiger Totengräberverein!"
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