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Wachgeküsst
Schloss Petronell - Märchenschloss am Rande der Donau-Auen von Hainburg.

Barock in Niederösterreich. Kolossal Verspieltes dieser prunkwütigen Epoche steht in der Landschaft entlang der Donau vor der Grenze nach Osten und dahinter. Fünf Kilometer südwestlich von Hainburg schlummert Dornröschen und wartet auf ihren Weckruf: Trutzig wie eine Burg wirkt auf den ersten Blick das frühbarocke Schloss Petronell der 1653 in den Grafenstand erhobenen Familie Abensperg-Traun.

Domenico Carlone hat die alte Wasserburg auf dem Gelände von Carnuntum, Österreichs größter archäologischer Landschaft, 1660 zum noblen Herrschaftssitz ausgebaut. Die Anlage ist eine steinerne Pastorale, ein ebenso imposantes wie charmant-italienisch anmutendes Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. Die Sonne tanzt. Kleinvögel zwitschern ihr Lied. Ein Storch hat sich auf dem Dach eingenistet. Die günstige Langeweile mitten im Irgendwo kann einem große meditative Momente eintragen. „Das Schloss ist bekannt, aber niemand kennt’s wirklich“, sagt der Regisseur und Schauspieler Paulus Manker. Die ideale Kulisse für den „Alma“-Maniac, der seinen Theater-Event rund um die legendäre Genie-Sammlerin Almamahlerwerfelgropiuskokoschka nach einer Reise über Purkersdorf, Venedig, Lissabon und Los Angeles hier ab 8. Juli noch einmal zelebriert.

Anno dazumal stellten Fürsten zur Selbstdarstellung Prunkgebäude in Landschaften, deren Bewohner oft arm, wenn nicht notleidend waren. Heute ist das Schloss Petronell selbst ein Pflegefall, der Fürsorge und Engagement erfordert, also Geld. Architekt Walter Hildebrand, der schon die Kartause Gaming renoviert hat, will, dass auch das derzeit vergammelte Baujuwel wieder aus dem Schlaf der Geschichte erwacht. Aber noch rühren die Politiker mit majestätischer Ignoranz kein Ohrwaschel.

Für Wiener ist es nur ein Katzensprung zur Donauregion Auland-Carnuntum. „In Wien ist alles schön“, fand schon Giacomo Casanova. Aber die Bigotterie der Kaiserin Maria Theresia machte es „außerordentlich schwierig, sich die Freuden der Liebe zu verschaffen“. Es sei denn, Adelige arrangierten mit schönen Fräuleins eine „Partie des plaisir“ aufs Land.

Am 24. Juni 1741 übernachtete Maria Theresia auf dem Weg von Wien nach Bratislava zur Krönung im Martinsdom in Schloss Petronell. Aber schon lange davor war die Gegend zwischen Wien und Bratislava, an der Kreuzung zwischen der Donau und der alten Nord-Süd-Verbindung Bernsteinstraße, groß und bedeutend, bis sie wieder zurück in die Stille fiel. 7 n. Chr. kam Pannonien ins römische Reich, was als die Geburtsstunde Niederösterreichs anzusehen ist.

„Betrachte die Vergangenheit, die großen Veränderungen so vieler Reiche“, schrieb der Philosophenkaiser Marc Aurel, der von der alten Römerstadt aus seine Offensive gegen die Markomannen geleitet hatte. „Daraus kannst du auch die Zukunft vorhersehen; denn sie wird durchaus gleichartig sein dem, was gewesen ist, und kann unmöglich von der Regel der Gegenwart abweichen. Daher ist es auch einerlei, ob du das menschliche Leben vierzig oder zehntausend Jahre hindurch erforschst; denn was würdest du Neues sehen?“

Marc Aurel, Hadrian, Konstantin und Julian meditierten in Carnuntum über die Kunst des Regierens. „Meine Vaterstadt, mein Vaterland ist für mich, den Antonius, Rom, für mich als Mensch aber ist es das Universum“, heißt es in Mark Aurels „Selbstbetrachtungen“. Eine Kostbarkeit, den „Petronellischen Willkhumb“, einen Glaspokal mit Gold und Emailmalerei aus Venedig aus der Zeit um 1480, bekam das Kunsthistorische Museum 1999 von der Familie Abensperg-Traun geschenkt. Er war möglicherweise wiederum ein Geschenk des ungarischen Königs Matthias Corvinius (1443–1490), einer Renaissancegestalt von machiavellischer Prägung, an Johannes von Kranichberg, den einstigen Besitzer von Petronell. Die mit einem Diamanten gravierte Inschrift bezieht sich jedenfalls auf den Besuch von Kaiser Matthias und Kaiserin Anna in Schloss Petronell am 12. April 1613.

Später kamen abwechselnd die Pest und die Türken über das Land. Hainburg wurde von anstürmenden Türken vollständig zerstört. Von den 8432 Einwohnern blieben nur acht übrig. Einer von ihnen war Thomas Haydn, der Großvater des Komponisten.

Zwischendurch meinte es das Schicksal mit unter auch gut. Ein Bild, um 1710, zeigt Otto Ehrenreich I. Abensperg und Traun, einen typischen Feudalherren der Barockzeit, mit seiner Familie, Gästen wie Graf Harrach und Gesinde, bei einer Rast während der Hasenjagd auf einer Anhöhe südlich des Schlosses mit Blick auf die Leitha-Niederungen.

Das Türkenjahr 1683 wurde zur wichtigsten Zeit im Leben des Schloss-Herren,
der den militärischen und zivilen Widerstand in Niederösterreich
organisieren musste. Er begrüßte im Auftrag und im Namen des Kaisers König
Sobiesky im Marchfeld und führte ihn und sein Heer über eine Notbrücke bei
Tulln über die Donau in den Wienerwald. Damit war die Voraussetzung für den
Sieg über die Türken gegeben, Österreichs Großmachtstellung gesichert und
das christliche Abendland gerettet.

Zehn Jahre "Alma"
Die Stationen einer außergewöhnlichen theatralischen Reise

Die Szenen eines Theaterstückes an mehreren Orten gleichzeitig ablaufen und den Zuschauer seinen Platz und die Darsteller selber auswählen zu lassen, war eine Königsidee, die sich als tragfähig erwiesen hat. Immerhin inszeniert Paulus Manker heuer bereits zum zehnten Mal Joshua Sobols Stück „Alma – A Show Biz ans Ende“ (Premiere: 8. Juli im Schloss Petronell; Vorstellungen bis 4. September, jeweils Do – So um 20 Uhr) – inklusive Leichenschmaus für Gustav Mahler.

Schon im ersten Jahr waren alle 140 Vorstellungen ausverkauft. Was 1996 als Produktion der Wiener Festwochen, u. a. mit Susi Nicoletti und Leon Askin im Sanatorium Purkersdorf begann, ist mittlerweile Kult – und um die Welt gereist. Im Sommer 2002 übersiedelte die Produktion nach Venedig. „Wie spielten in englischer, italienischer und deutscher Sprache und fühlten uns, als wären wir Marcello Mastroianni“, erinnert sich Manker.

Beflügelt vom anhaltenden Erfolg ging es im Folgejahr einen Schritt weiter in Almas Leben – nach Lissabon, von wo aus Alma mit ihrem Ehemann Franz Werfel 1940 in die USA emigrierte. Gespielt und gelebt „wie in einer großen Wohngemeinschaft“, so Manker, wurde diesmal in den Räumen eines alten Klosters, mit Kirche, Palmengarten und einer Dachterrasse mit dem schönsten Blick über die portugiesische Hauptstadt.

Die logische nächste Station war 2004 Hollywood, Los Angeles, wo Alma zwölf Jahre lang in der Emigration gelebt hat, wo Werfels Bücher verfilmt wurden und wo Alma im Mittelpunkt des Emigrantenzirkels stand. Für den Regisseur war der Sprung über den Atlantik „das Schwierigste, was ich je unternommen habe“. „Alma“ ging diesmal in einem patinierten Film-Palast über die Bühne, dem „schönsten auf dem ganzen Kontinent“, wie man Manker versicherte. „Allein dafür, dass wir in diesem alten, von Charlie Chaplin in den 30er-Jahren miterbauten Theater spielen konnten, hat es sich gelohnt, dass wir dort waren.“ Aber die Film-Metropole erwies sich als die nach Kabul schwierigste Theater-Stadt und Amerika für das ambitionierte Theaterprojekt als denkbar schwieriges Pflaster. Damit haben sich auch die Pläne zerschlagen, das Finale des Theater-Projektes in New York zu zelebrieren, wo Alma Mahler-Werfel gestorben ist.

Nachdem sich Manker – wieder daheim – auf der Suche nach einer idealen Location, „die immerhin der heimliche Hauptdarsteller im Stück ist“, allerlei Objekte „bis ins Salzkammergut“ angesehen hatte, fand er das fast vergessene und ein bisschen verlotterte Schloss Petronell, zuletzt Film-Kulisse für „Die drei Musketiere“. Das Ambiente ist für Manker „so imperial, dass es einem Zehn-Jahres-Jubiläum gerecht wird. Das Gebäude ist nicht baufällig, aber auch nicht zu Tode renoviert, so dass alle zu viel Respekt davor haben. Also gerade richtig. Wie seinerzeit Purkersdorf.“

Von Werner Rosenberger

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