Salzburger Nachrichten vom 08. 07.
1999
Eine theatralische Reise durch das Leben der Alma Mahler-Wertel
1996 kam bei den Wiener Festwochen eine vieldiskutierte Arbeit
von Paulus Manker heraus, die ein Projekt des israelischen
Dramatikers Joshua Sobol realisierte, "Alma - A Show
Biz ans Ende" (ORF 1, 23.35).
Joshua Sobol rückt Alma Mahler in den Mittelpunkt seines
Stücks, die Muse der vielen Künste, Geliebte und
Ehefrau von Gustav Mahler, Walter Gropius, Franz Werfel, Gustav
Klimt und Oskar Kokoschka.
Ein Fest zu Almas 120. Geburtstag, bei dem sich alle ihre
Männer einfinden, bildet die Rahmenhandlung des Dramas.
Die Geschichte dieser denkwürdigen Frau spannt sich vom
Wien der Jahrhundertwende bis ins Amerika der sechziger Jahre,
wo die Dame wie eine gestürzte Königin im Exil Hof
hielt. Das Genie eines Mannes wirkte auf sie so faszinierend
und erotisierend wie auf andere das Geld.
In diesem "Polydrama" werden verschiedene Handlungsstränge
des Stückes an mehreren Orten des Sanatoriums Purkersdorf
simultan aufgeführt. Das Publikum wechselt beliebig zwischen
den Szenen hin und her und wird durch die räumliche Nähe
zum Spielgeschehen in die Handlung eingebunden. Zuschauer
werden zu Weggefährten, die alle Ereignisse, Wege und
Personen, denen sie folgen, selbst auswählen und sich
dadurch ihre eigene Version des Dramas aufbauen, zerstören
und erneut entstehen lassen.
Am Abend der Aufführung wurde jeder Zuseher aufgefordert,
sich in eine Kamera zu verwandeln: "Sie sind eine Kamera.
Ihr Auge schreibt das-Theaterstück. Konzentrieren Sie
sich auf ein Objekt Ihrer Wahl und folgen Sie ihm wie eine
Kamera. Wenn Sie nur einem Objekt folgen, verwandelt es sich
in Ihren persönlichen Hauptdarsteller. Seine Figur führt
Sie durch Almas Leben. Sie können jedoch die Objekte
während der Aufführung auch wechseln und sich so
Ihr persönliches Handlungs-Mosaik zusammenstellen."
Joshua Sobol über seine Methode, eine Geschichte aufzulösen
und den Zuseher aktiv werden zu lassen: "Es erscheint
alles klarer, wenn wir an das Internet denken. Die Bedeutung
des Internets als Phänomen ist eben die Tatsache, daß
man gemäß seinen eigenen Interessen darin surfen
kann. Auf diese Weise wird man durch die Benützung des
Mediums aktiv oder eben interaktiv. Man lernt, experimentiert
oder findet heraus, was immer von Bedeutung für einen
selbst ist, und nicht das, was scheinbar als bedeutend angesehen
wird."
In über 40 Einzelszenen, die von 1900 bis in unsere
Gegenwart reichen, wird das vielfältige Panorama einer
schillernden Figur gemalt. Aber die Fernsehfassung ist etwas
völlig anderes als die Theaterversion. Aus einem Polydrama
ist ein lineares Theaterereignis geworden.
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