Der Standard vom 08. 07. 1999
Ab heute im ORF: Paulus Mankers TV-Trilogie "Alma"
Seifenoper im Jugend-Stil
Einen erfolgreichen dramatischen Episoderi-Parcours durch
das Leben von Alma Mahler auf das Fernsehen zuzuschneiden:
Paulus Manker gelingt das nur bedingt. Isabella Reicher über
ein TV-"Kunst-Stück", das immer wieder hart
an theatralische Grenzen stößt.
Wien - 1996 hatte Alma - A SHOW BIZ ans ENDE von Joshua Sobol
in der Inszenierung von Paulus Manker bei den Wiener Festwochen
seine Premiere. Ein "Polydrama", das den Zuseher
aus einer "bewegungslosen Haltung" heraus forderte
und ihm einen selbstgewählten Parcours durch einzelne
szenische "Events" anbot, die in den Räumlichkeiten
des Sanatoriums Purkersdorf auch heuer wieder aufgeführt
werden.
Was damals manche stilistisch an die (freilich imaginäre,
weil räumlich fixierte) Bewegung beim Zappen erinnerte,
das ist nun im Fernsehen angekommen und dort ironischerweise
plötzlich stillgestellt. Der Plan einer "digitalen
Mehrkanalfassung" besteht nach wie vor, aber die aktuelle
Alma-Version ist ein rund viereinhalbstündiger Dreiteiler,
der den Zuseher auf der Feier zu Almas 119. Geburtstag in
Empfang nimmt.
Dort wird er mit der vielgestaltigen Protagonistin - Susi
Nicoletti als U. S.-Alma, Johanna Wokalek, Nicole Ansari und
Pamela Knaack als Alma 1-3 - und ihren Künstler- Männern
konfrontiert, bevor dann in loser Abfolge Episoden aus dem
bewegten Leben der Alma Schindler, Ehefrau von Gustav Mahler
(Helmut Berger), Walter Gropius (Sebastian von Blomberg) und
Franz Werfel (Peter Kern), Geliebte von Oskar Kokoschka (Paulus
Manker) durchgespielt werden.
Das Fernsehen hat viele Formate und keine allgemein verbindliche
Ästhetik. Alma ist erzählerisch wohl am ehesten
mit einer Seifenoper vergleichbar: eine Vielzahl handelnder
Personen, mehrere parallele Handlungsstränge, teils wechselnde
Darsteller ein- und derselben Figur - eine tendenziell offene
Struktur. Aber Soap Operas sind in der Inszenierung selten
dynamisch (und auch im Schauspiel eher
verhalten). Kameraführung und Montage von Alma erinnern
weit mehr an MTV-/VIVA-Eigenproduktionen, die in wackeligen
Bildern und schrägen Anschlüssen von der "Direktheit"
und Unmittelbarkeit des Mediums erzählen wollen. Womit
wir wieder beim (inszenierten) "Live"-Event und
beim Theater angelangt wären.
Zerhackte Bildfolgen
Wie funktioniert Alma als Theateraufzeichnung? Die Struktur
des Stücks, das ein Stationendrama ist, wird in der Fernsehfassung
in kleine und kleinste Einheiten bzw. Einstellungen und Bildfolgen
zerlegt und zerhackt, deren Konstruktion nicht wirklich zwingend
ist. Alnia ist visuell gewissermaßen überproduziert:
Man ist mit zu vielen Bildern, Schnitten, Bewegungen konfrontiert
(Steadycam-Fahrten um
die Personen herum, Gänge entlang usw.).
Kurz: Es geht nicht um ein konzentriertes Arbeiten an (oder
Wahrnehmen von) Bildern, sondern um die Fortführung eines
manierierten Gestus, der, anders als in der Live-Version,
das Geschehen und die Figuren eher auf Distanz hält.
Es wird beständig die Analogie zwischen Kamera- und Zuschauerblick
behauptet. Aber
dieser Vergleich (mit dem man im Film selten weit gekommen
ist) funktioniert nur, wenn man sich Zuseher als reichlich
unkonzentrierte Wesen vorstellt.
Man liebt, tobt, läuft und windet sich vor unsren Augen.
Die Inszenierung gibt ein Theater der Heftigkeit, der (physischen)
Entäußerung und Entblößung. Die Schauspieler
beziehen sich auf den Text und aufeinander, auf die (Bühnen-)Inszenierung
und kaum auf das Fernsehen, für das sie hier (auch) agieren.
Alma beharrt auf "Naturalismus" gegenüber
der Bühnenfassung. Die Lichtsetzung orientiert sich demgemäß
nicht in erster Linie an den Protagonisten, deren Gesichter
häufig irritierend überschattet sind oder von einer
der unzähligen, zum Teil noch gespiegelten Lichtquellen
von hinten umstrahlt werden.
Der ORF hat dieses hybride, von ihm coproduzierte Renommierprojekt,
das bei allem Aufwand seltsam verwaschen und fahrig wirkt,
spätnachts in den Kunst-Stücken programmiert. Teil
eins, "In meines Vaters Garten", läuft heute
Donnerstag ab 23.35.
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