Witwe für ein Ja
Wie attraktiv ist ein verkommener Charakter? Mit Alma
schildert Paulus Manker das Leben einer Super-Muse
Von Sandra Luzina
Die alte Dame ist nackt bis auf ihre Perlenkette und
mausetot. Über der hingestreckten Leiche schwebt ein
männliches Viergestirn: Gustav Mahler, Walter Gropius,
Oskar Kokoschka und Franz Werfel. Post coitum
post mortem kommentiert Paulus Manker das gigantische
Plakat von Johannes Grützke, das an der Fassade des Kronprinzenpalais
prangt. Grützke, der Schüler Kokoschkas, versteigt
sich zu einer eher garstigen Alma- Huldigung, variiert er
doch den Gegensatz von vergänglicher Lust und unsterblicher
Kunst auf despektierliche Weise.
Unter den Linden 4, das ist Berlins erste Adresse. Demnächst
werden hier gewaltige künstlerische Triebkräfte
entfesselt. Der Wiener Schauspieler und Regisseur Paulus Manker
zieht mit Alma A Show Biz ans Ende, einem
wilden Spektakel über die Super-Muse, in dem erotische
und kreative Energien verschmelzen, sowie mit seinen Mitarbeitern
und containerweise aus Wien herangeschafftem Mobiliar in das
vormalige Gästehaus der DDR ein. Das verwandelt sich
langsam in ein Alma-Museum.
Die Halle bebt: Gerade erklingt das Adagietto aus Mahlers
5. Symphonie, eine Liebeserklärung an Alma, seine Muse
und Ehefrau. Schon im Foyer trifft man auf
zahlreiche Alma-Huldigungen und -Memorabilien. Eine Reproduktion
von Kokoschkas berühmten Doppelbildnis zeigt ihn und
Alma eng umschlungen. Und auch eine Kopie der Partitur von
Mahlers unvollendeter 10. Symphonie ist zu bestaunen, an deren
Rand der Komponist kritzelte: Für Dich leben! Für
Dich sterben, Almschi! Im Bankettsaal streichelt Manker
liebevoll eine Nachbildung der legendären Fetischpuppe,
die Kokoschka in seinem Liebeswahn anfertigen ließ.
Seine Hommage an die berühmte Liebhaberin verzichtet
auf Verklärungen, und spielt dennoch lustvoll mit den
Mythenbildungen.
Wenn ich für eine Weile die Steigbügel dieser
Ritter des Lichts halten durfte, so ist mein Dasein gerechtfertigt
und gesegnet. So lautet einer der letzten Sätze
aus Alma Mahler-Werfels Autobiografie Mein Leben.
Paulus Manker hat freilich einen anderen Ausspruch Almas in
petto: Nichts schmeckt besser als das Sperma eines Genies.
Ein, wie er findet, vortreffliches Lebensmotto, und Manker
wird denn auch nicht müde, dieses verbürgte (!)
Zitat zu wiederholen. Die schöne Wienerin hatte wirklich
ein Gespür fürs Genialische. Sie war mit Gustav
Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel verheiratet, hatte
leidenschaftliche Affären mit Gustav Klimt, Alexander
Zemlinksy und Oskar Kokoschka. Ihr letzter Liebhaber war ein
Priester mit dem schönen Namen Hollnsteiner.
Mit der Rolle der ehrerbietigen Muse gab sie sich nicht zufrieden,
sie war eine Männerfresserin, die letzte Femme fatale.
Und ein Monster! Da beruft sich Manker gern auf Marietta Torberg,
die über ihre Freundin urteilte: Sie war eine große
Dame und gleichzeitig eine Kloake. Das zielt noch nicht
mal auf Almas Antisemitismus, den erst spätere Biografen
enthüllt haben. Eine außergewöhnliche Anziehungskraft
haben ihr aber alle Freund und Feind attestiert.
Man kann ja auch als schlechter Charakter ungemein attraktiv
sein schauns mich an, lautet Mankers schelmischer
Kommentar.
Paulus Manker ist nicht nur ein wandelnder Alma-Almanach.
Zehn Jahre ist Alma ihm schon Ansporn und Inspiration. 1996
kam seine Produktion Alma bei den Wiener Festwochen
heraus; in dem Polydrama der Text stammt
von Joshua Sobol besuchen Alma und ihre illustren Männer
nochmals die Orte ihres ereignisreichen Lebens. Alma
wurde schnell Kult und hat sich mittlerweile zu einem Unternehmen
olympischen Ausmaßes entwickelt. Es gastierte
in einem Sanatorium in Wien, einem Palazzo in Venedig, einem
Kloster in Lissabon, einem Filmpalast in Los Angeles und im
Barockschloss Petronell nur an Orten, wo Alma gelebt
und geliebt hat. Berlin fehlte da noch. Hier hat sie 1915
ihren zweiten Mann, den Bauhaus-Architekten Walter Gropius,
geehelicht hier wurde sie 1920 auch wieder geschieden.
In Berlin richtet Manker seiner Muse nun eine grandiose Geburtstagsfeier
aus zu Almas 127!
Auch Paulus Manker hat einen gewissen Ruf zu verteidigen.Er
wird als großartiger Schauspieler und als Tollkopf verehrt
und gleichzeitig als exzentrisches Arschloch geschmäht.
Ich habe nicht widersprochen, meint er zu den
Anfeindungen. Wenn die Leute sich vor dir fürchten,
benehmen sie sich besser. Doch man hüte sich, in
ihm nur den Protagonisten einer hoch entwickelten Beleidigungskultur
zu sehen. Ich bin auch als Wiener ein Unikat!,
weist einen Manker da streng zurecht. Und schon gar
nicht die Sturmspitze einer Nationalmannschaft des schlechten
Benehmens.
Barfuß und mit wehendem Haar tänzelt der Mann
durch das Kronprinzenpalais. Er ist gleichzeitig Regisseur,
Darsteller, Impressario, Inspizient und vieles mehr. Der Genius
loci, führt er aus, spielt in der Berliner Produktion
eine große Rolle: Alban Bergs Wozzeck, dessen
Drucklegung die Mahler-Witwe gefördert hat, wurde an
der Lindenoper uraufgeführt. Am Bebelplatz fand 1933
die Bücherverbrennung statt, bei der auch Werke Werfels
im Feuer landeten. Kokoschkas Bilder wurden 1919 im Kronprinzenpalais
ausgestellt.
Alma hat Manker in einen künstlerischen
Dauerrausch versetzt. Über das Leben des Skandalweibs
redet er, als wäre es ein offenes Buch. Sie hat
sich nix geschissen, wie man bei uns in Österreich sagt.
Sie hat sich über alle moralischen Schranken hinweggesetzt,
lobt er die rastlose Verführerin. Aber bringt er die
liebeshungrige Dame nicht doch in Verruf? Die Einordnung
als V.I.P.- Schlampe stimmt sicher nicht, erwidert Manker.
Dass die Witwe der vier Künste über
außergewöhnliche erotische Erfahrungen verfügte,
ja eine ausgewiesene Männer-Expertin war, ist belegt.
Ihr verdankt die Männerwelt auch wenig schmeichelhafte
Erkenntnisse: Je bedeutender ein Mann, desto kränker
seine Sexualität, notierte sie in ihrem Tagebuch.
Ihre Exzesse kann der Zuschauer hautnah miterleben. Alma
verknüpft Bettschlachten und Künstlerdramen, Liebeswahn
und Schaffensrausch. Die Hauptfigur wird gleich in vielfacher
Gestalt auftreten: jung und alt, göttlich und teuflisch
allesamt schillernde Projektionen des Weiblichen. In
der Pause erwartet den Zuschauer ein Gala-Dinner mit österreichischen
Spezialitäten. Ein Leichenschmaus anlässlich des
Begräbnisses von Hofoperndirektor Gustav Mahler. Paulus
Manker wird selbst den Oberwildling Kokoschka
spielen, der mit Alma eine Amour fou durchlebte. Der einsame
Höhepunkt ist erreicht, wenn er in seiner Raserei die
Alma-Puppe enthauptet.
Premiere, 21. April, 20 Uhr. Bis 27. Mai, Do-So. Tickets
95 Euro (inkl. Speisen
und Getränke) Karten unter 0177/25 62 900
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