"Alma - A Show Biz ans Ende"
Eine Legende ist zurück gekehrt: Alma, die
Kultproduktion des Polydramas von Joshua Sobol unter der Regie
von Paulus Manker, hat fast zehn Jahre nach der Uraufführung
im Hoffmann-Sanatorium Purkersdorf und weiteren Stationen
in Venedig, Lissabon und Los Angeles eine neue Heimstätte
gefunden.
Im Schloss Petronell erlebt der opulent inszenierte Mythos
um Alma Mahler-Gropius-Werfel seit Freitag, seine Auferstehung.
Das teils prachtvolle, teils vergammelte Schloss, mit zahlreichen
Antiquitäten und betagten Alltagsobjekten museal ausstaffiert,
bildet den idealen Rahmen für diese theatralische Reise
in die österreichische Kulturgeschichte. Der Zuschauer
als Reisender, als Teilnehmer eines großen Fests zu
Almas 126. Geburtstag, eines Begräbnisses, eines Leichenschmauses,
als Voyeur intimer Gespräche, als Beobachter dramatischer
Situationen: Das Konzept kann hier nach wie vor und mehr denn
je beeindrucken und überzeugen.
Verabschieden muss sich der Besucher allerdings nach wie
vor und mehr denn je vom Bedürfnis nach Kontinuität,
nach umfassender Inhaltsaufnahme, nach Verweilen an einem
zugewiesenen Sitz. Ein beträchtlicher Teil des vierstündigen
Aufenthalts im Schloss vergeht mit Ortswechseln, mit der Suche
nach Stationen, Spiel-Plätzen, auch mit Ratlosigkeit.
Zwangsläufig fragmentarisch muss dieser Abend bleiben
und wird dennoch zum Gesamtkunstwerk, in das man unweigerlich
eingebunden ist. Auf und ab geht es über Stiegen, durch
Gänge und Zimmerfluchten, in den Hof und in den Festsaal:
Eine bilderreiche Reise wie durch einen verwirrenden Traum,
letztlich durch die eigene Erinnerung.
Die Gestaltung der Route bleibt der Entscheidung jedes Einzelnen
überlassen. Theatermagier und Reiseleiter Paulus Manker
- selbst involviert als irrer Kokoschka - gibt keinerlei Orientierungsvorgaben.
Alma ist aufgesplittet in einige Almas, die einander gelegentlich
begegnen: Junge Geliebte, uralte Frau, Urmutter, Tunte. Überhaupt
ist die gelegentliche Begegnung ein typisches Symptom dieses
Theatererlebnisses. Hier läuft Gustav Mahler, dessen
symphonische Klänge allgegenwärtig sind, aus einem
Zimmer, da wird Walter Gropius gerade einer ärztlichen
Untersuchung unterzogen, dort telefoniert Franz Werfel in
einem italienischen Café. Kaum musste man Sargträgern
auf der Freitreppe ausweichen, findet man sich beim köstlichen
Buffet wieder, dessen sich schließlich betrunkene Soldaten
bemächtigen.
Menschentrauben vor Eingängen zeigen an, dass drinnen
offenbar etwas vorgeht. Wer gerade keinem Handlungsstrang
folgen will oder kann, flaniert eine Weile durchs Schloss
und mutiert zum Ausstellungsbesucher. Empfehlenswert ist warme
Bekleidung für kühle Abende, gutes Schuhwerk und
eine Portion Vorsicht: Auch als Zuschauer kann man schon einmal
in ein Handgemenge geraten, wo Tische und Stühle stürzen
und unversehens heißes Kerzenwachs auf unbeteiligten
Beobachtern landet.
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