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Das Polydrama
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Sobol
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11a I WISH I HAD 10.000 HEARTS
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Wien 1911. Im Bad. Die 3 Almas kommen sukzessive mit Fackeln herein, Dunkel, Stimmung Luftschutzkeller. RESERL teilt Suppe aus und betreut die Frauen.

ALMA 1 (V) Kann ich bitte eine Decke haben?

RESERL Selbstverständlich, Madame. (Sie gibt jeder Alma eine Decke)

ALMA 3 (K) Kann ich eine Suppe haben, bitte?

Reserl gibt jeder Alma eine Suppe

ALMA 1 Ach, Scheisse! Ich fürchte, ich bin schon wieder schwanger...!!

ALMA 2 (F) Wer ist es denn diesmal?

ALMA 1 Kammerer.

Die drei Almas stehen auf und werfen ihre Mäntel ab. Reserl hebt die Mäntel auf und hängt sie in den Spind.

ALMA 3 Ugghh!...

ALMA 1 Wieso «Ugghh»? Er ist ein sehr reicher Mann. Ich liebe ihn.

ALMA 3 Kammerer ist reich?!

ALMA 2 Geistig natürlich, nicht finanziell.

ALMA 3 Er ist ein Hungerleider, genauso wie seine scheußlichen Kröten, an denen er ununterbrochen herumfummelt. Unlängst soll er sogar eine geküßt haben!

ALMA 2 Ich weiß. Eine Geburtshelferkröte.

ALMA 1 Sein Lieblingsexemplar. Sie ist der Beweis für seine Theorien, daß künstlich erworbene Eigenschaften vererbbar sind.

ALMA 2 Die Entdeckung wird ihm noch viel Geld einbringen.

ALMA 1 In Rußland hat er schon eine große Anhängerschaft.

ALMA 2 Er hat sogar einem Axolotl das Augenlicht wiedergegeben!

ALMA 3 Ach! Das arme Tier! Und was mußte es dann als erstes erblicken?

ALMA 1&2&3 Dr. Paul Kammerer!!!

ALMA 3 Diesen elenden Kommunisten.

ALMA 2 Meine liebe Alma, du bis so naiv wie du schön bist.

ALMA 1 Darf ich dich eines versichern: durch Arbeit wird man nicht reich.

ALMA 3 Weder durch manuelle noch durch spirituelle.

ALMA 2 Wenn du wirklich reich sein möchtest...

ALMA 1 Oh ja, das wäre zur Abwechsung einmal etwas anderes...

ALMA 2 Oh ja, das wäre zur Abwechsung einmal etwas anderes...

ALMA 3 Oh ja, das wäre zur Abwechsung einmal etwas anderes...

ALMA 1 Also was willst du dann? Sag es uns. Frei heraus.

ALMA 2 Wonach sehnst du dich? Wovon träumst du? ...

ALMA 1 Nur keine Scheu, heraus damit! Du kannst uns alles sagen.

ALMA 2 Gib dich deinen Wünschen hin und sag uns deine geheimsten Träume...

ALMA 1 ... die verborgenen...

ALMA 2 ... die verbotenen...

ALMA 1 ... die, von denen du selbst vielleicht noch gar nichts weißt...

ALMA 3 Wartet... das ist nicht so leicht...!

ALMA 1&2 Lass dir Zeit. —

ALMA 3 Wisst Ihr, was ich möchte? Wonach ich mich in meinem Innersten sehne? Mein sehnlichster Wunsch?

ALMA 1&2 Na?

ALMA 3 Ich möchte nach Paris!

ALMA 1&2 Aaaaahhh!

ALMA 3 Mit Euch. Nur mit Euch. Wir wohnen im Ritz... Die größte und schönste Suite, die Hochzeitssuite... Wir bleiben, solange wir möchten! Wochen, Monate... Jeden Abend gehen wir aus... in die Oper, ins Varieté, ins Konzert... wir soupieren im Tour-D'Argent...

ALMA 1&2 Mmmmhhh!

ALMA 3 ... im Moulin Rouge, wo immer wir möchten!! — Können wir uns diesen Wunsch erfüllen?

ALMA 1 Aber ja. Warum nicht?

ALMA 2 Wir können heute noch los.

ALMA 1&2&3 Haaa!!!!

Reserl dreht das Licht auf und bringt den Almas ihre Bademäntel.

ALMA 2 Kammerer wird toben.

ALMA 1 Soll er sich doch seine Kröten alleine mit Mehlwürmern vollstopfen!

ALMA 3 Er wird sich entscheiden müssen zwischen seiner Oberkröte, dieser entsetzlichen Frau...

ALMA 1 Und uns!

ALMA 2 Alma! Du bist wunderbar!

ALMA 3 Die Männer sind unser gar nicht wert!

ALMA 1 Ich wollte, ich könnte ohne sie auskommen.

ALMA 2 Ich wußte es —

Alle drei lachen.

ALMA 1 Aber ich kann nicht. Ich kann nicht!

ALMA 3 Ich liebe sie, wenn sie mich lieben. Es macht mich ganz rasend, wenn ich ihr Verlangen spüre.

ALMA 2 Es weckt mich aus meinem Tiefschlaf. Es ist wie eine Droge!

ALMA 1 Wenn sich ein Mann in mich verliebt, verliebe ich mich sofort in mich selber. Und plötzlich bekommt mein Leben wieder einen Sinn...

ALMA 2 ... eine Berechtigung...

ALMA 3 ... nur weil ein Mann sich darin herumtummelt...!

ALMA 1 Aber sie hinterlassen doch immer ihre dreckigen Fußspuren in unserer Seele...

ALMA 2 ... und ihre fettigen Fingerabdrücke!

ALMA 3 Sie betäuben uns mit diesem süßlichen Verwesungsgeruch, den sie Liebe nennen...

ALMA 2 ... nebeln uns ein mit eine Wolke von abgestandenem Bier...

ALMA 1 ... und kaltem Zigarrenrauch...

ALMA 3 ... und wenn sich der Nebel lichtet — ?

ALMA 1 ... musst du auf einmal erkennen, daß dein Leben gar nicht mehr dein Leben ist!

ALMA 2 Daß dir dein Leben gar nicht mehr gehört!

Reserl räumt alles auf, die Suppenteller, die Decken etc.

ALMA 3 Alma...?!

ALMA 1 Ist es nicht so?!

ALMA 1&2&3 Nein!!!!!!!

ALMA 3 Ganz im Gegenteil!! Je mehr Männer mein Leben durchziehen, desto stärker fühle ich, daß es mein Leben ist!

ALMA 2 Aber sie stopfen dich doch voll mit ihrem verkommenen Samen!

ALMA 1 Wieso denn verkommen? Manche von ihnen schmecken besser als les huitres de la mér...!

ALMA 3 Labskaus!!

ALMA 2 Sabaione con fragole!!!

ALMA 1 Sie pumpen dich auf damit wie einen Luftballon!

ALMA 3 Wenn ich einen Mann liebe, dann will ich auch ein Kind von ihm.

ALMA 1 Wenn nicht — nichts leichter, als es wieder loszuwerden.

ALMA 2&3 Alma!!

ALMA 1 Was soll daran falsch sein?

ALMA 2 Ich weiß nicht. Es macht mir Angst...

ALMA 3 Mir nicht.

ALMA 1 Also wenn Ihr glaubt, daß es keine gute Idee ist...

ALMA 2 Nein, nein. Ich denke, es ist eine sehr schöne Idee...

ALMA 3 Alma, du machst mich glücklich! Du wirst sehen, es wird dich nicht im Geringsten stören.

ALMA 1 Davon bin ich überzeugt. Ich würde es auch nie zulassen, daß irgendein Mensch mein Leben mit Beschlag belegt. Ein Mensch ist doch nur ein Objekt von vielen, das zufällig einmal erscheint — und dann wieder verschwindet.

ALMA 2&3 Ein «Objekt»? —

ALMA 1 Ja...!

ALMA 3 Na ja, was ist gegen Objekte zu sagen?

ALMA 2 Jaja. Sie können sehr interessant sein, manchmal überraschend kurzweilig.

ALMA 1 Aber nenne mir einen vernünftigen Grund, allen Objekten zu entsagen, nur weil ein einziges irgendwann einmal zufällig als erstes unsere Aufmerksamkeit erregt hat.

ALMA 2 Muß mich ein Edelstein blind machen für alle anderen, nur weil ich ihn als erstes in Händen hatte?

ALMA 1 Genau!

ALMA 2 Muss ich ihn kaufen und ein Leben lang am Hals tragen, bis er mir schwer wird wie ein Mühlstein?

ALMA 3 Ich rede ja nicht von bedingungsloser Treue, aber...

ALMA 1 Nichts gegen die Treue. Nichts gegen die Treue! Wenn ein neues Objekt in meinen Gesichtskreis tritt, bedeutet das doch noch lange nicht, daß ich das alte auf den Mist werfen muß. Im Gegenteil! Ich sage immer: wirf nichts weg, was dir einmal gehört hat.

ALMA 2 Ausgezeichnet!

ALMA 3 Fantastisch!

ALMA 1 Du wirst es vielleicht noch einmal brauchen.

ALMA 2 Richtig!

ALMA 1 Es erweckt vielleicht wieder einmal mein Begehren...

ALMA 3 Ganz genau!

ALMA 2 Wer kann das wissen?

ALMA 1 Wenn ich für einen Mann keine Verwendung mehr habe, werde ich ihn doch nicht einfach wegwerfen. Nur weil das Interesse an ihm erloschen ist...?

ALMA 3 Moment! Ich stelle ihn vorsichtig in eine Ecke? Zur Aufbewahrung? Schön in Reichweite? — Und wenn seine Zeit wieder gekommen ist...??!

ALMA 2 Nun...

ALMA 1 Wer kann sagen, ob? Wer kann sagen, wann? Aber die Möglichkeit besteht doch...!

ALMA 2 Frauen, die stolz darauf sind, daß sie ein Leben lang nur immer einem Mann angehört haben — selbst wenn es ein ganz besonderer Mann war —, sind doch im Grunde genommen gar nicht am wirklichen Geist des Mannes interessiert...

ALMA 1 Sie zwingen sich durch einen falschen Ehrbegriff zur einer Treue, und sind von Jugend an verloren für alle anderen Objekte. Für deren Intelligenz, ihre Größe, ihr Genie!

ALMA 3 Diese Frauen sind tot — lange, bevor sie gestorben sind!!!

ALMA 1&2&3 Yeahhh!!!!

ALMA 1 Aber Beständigkeit? Bedeutet sie gar nichts?

ALMA 2 Beständigkeit!

ALMA 3 Das ist doch lächerlich!

ALMA 2 Die Männer haben doch alle ein Recht darauf, uns zu begeistern! Wir würden ihnen Unrecht tun!

ALMA 3 Der rein äußerliche Vorteil desjenigen, der mir zufällig einmal als erster über den Weg gelaufen ist, darf doch die anderen nicht des gerechten Anspruchs berauben, den sie allesamt auf mein Herz erheben dürfen.

ALMA 1 Alexander Zemlinsky war der erste, weil er dich durch sein Talent gefangen hat, solltest du deshalb dein Herz vor dem Genie eines Gustav Mahler verschließen?
Reserl bringt den drei Almas ihre Kleider.

ALMA 3 Und mit Gustav in deinem Besitz — solltest du dich blind stellen? Empfindungslos und taub? Es war geradezu deine heilige Pflicht, dich um Walters Gropius zu kümmern.

ALMA 1 Exakt!

ALMA 2 Und nachdem auch er sich auf deinem Altar geopfert hatte, dir alles gegeben hatte, was er besaß, solltest du deine Sinne verschließen vor dem ungeheuren Ansturm, mit dem Oskar Kokoschka Einlaß begehrte? Und deine Grundfesten aufs tiefste erschütterte?!

ALMA 1 Eines weiß ich ganz genau: ein Genie bezaubert mich immer auf Anhieb, wo ich es finde, ich habe eine Witterung dafür, und ich gebe der süßen Gewalt, mit der es mich fesselt, gerne nach! Ich mag noch so vernarrt sein in das Wesen eines Menschen, es darf mich nicht dazu bringen, ungerecht gegen all die anderen zu sein. Ich habe kein Recht dazu, versteht Ihr?

ALMA 3 Und wenn ein neuer leuchtender Stern mein Herz erreicht, so gäbe ich...

ALMA 2 ... und wenn ich 10.000 Herzen hätte...

ALMA 3 ... sie ihm alle hin!

ALMA 1 Ich wollt', ich hätte 10.000 Herzen, und könnte sie für 10.000 neue Sonnen öffnen, die auf meinem Horizont erscheinen!

ALMA 1&2&3 (singen:)
On... this... night of ten thousand hearts
let me take you to heaven's door!
Where the music of love's guitars
plays forever more!

U. S. ALMA betritt die Runde.

U.S. ALMA Aber hat man dann einmal gesiegt, steht man als Feldherr Pyrrhus da! Dann hat man auch nichts mehr zu sagen und noch weniger zu wünschen. Alles Schöne der Leidenschaft ist hin. Und wir schlafen über dem Frieden einer solchen Liebe ein, wir sinken tief hinab — und alles, was eben noch schön war, modert langsam träg dahin.

ALMA 2 Denn nichts ist langweiliger und abstoßender als ein Objekt, das sich einmal in unserem Besitz befunden hat und das so tut, als würden wir ihm jetzt gehören!

ALMA 1 Nur der Versuch — und im nächsten Augenblick schon fällt der wache Geist in sich zusammen. Als wäre nichts gewesen. Der junge, starke Genius von gestern wird im Handumdrehen zu einem müden, nassen Lappen.

ALMA 3 Und aus dem Mund, aus dem man einstmals Perlen trank, dringt dann der süßliche Gestank von Fäulnis und Verwesung. Der Mensch, der einst das Ziel war, wird uns dann zur Bürde.

U.S. ALMA Und alles, was uns dann zu sagen übrigbleibt, ist höchstens: «Das hab ich wirklich nicht verdient...!» Ich kann euch sagen, aufgebrauchte Männer sind schlimmer als der schlimmste Tod.

RESERL Es muß sehr traurig sein, nach allen Seiten hin zu lieben, wie ihr es tut.
Alle erstaunen für einen Moment, lachen sie dann aus.

ALMA 1 Du brauchst uns nicht bedauern.

ALMA 3 Es ist nicht so bitter, wie du denkst.

ALMA 2 Glaube mir, es gibt ein profundes Mittel, solch ein Disaster zu verhindern, wie wir's grad beschrieben haben...

ALMA 1 ...und das ist einzig und allein ein neuer, junger Genius, der auftaucht wie ein Phönix aus der Asche und der mich wachrüttelt aus diesem ohnmachtsgleichen Schlummer, der dem Schlaf des Todes gleicht!

OSKAR (von draußen) Alma! – Alma!!!

ALMA 1 Oskar?!

OSKAR Wo bleibst du? Ich warte seit einer halben Stunde auf Dich!!

ALMA 1 Ich komme, ich komme! (zu den anderen:) Das ist ein ganz Wilder, ich kann Euch sagen...!!

ALMA 3 Wie heißt er?

ALMA 1 Kokoschka. Oskar Kokoschka.

ALMA 2 Was ist er von Beruf?

ALMA 1 Psssst!! – Er ist Maler

ALMA 2 & 3 Uuuuuhhh....!

ALMA 1-3 Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre
Ich bin doch zu schade für einen allein.
Wenn ich jetzt grad' Dir Treue schwöre
Wird wieder ein and'rer ganz unglücklich sein.
Ja soll denn etwas so Schönes nur einem gefallen?
Die Sonne, die Sterne gehörn doch auch allen!
Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre
Ich glaub' ich gehöre nur mir ganz allein!

(Sprechen die Männer von Treue,
lächle ich nur vor mich hin.

Liebe ist ewig das Neue,
Treue hat gar keinen Sinn!

Heute schon ist mir entschwunden,
was ich noch gestern besaß,

Liebe macht selige Stunden,
Treue macht gar keinen Spaß.

Einer hat zärtliche Hände,
einer packt kräftiger zu.

Wenn ich den Richtigen fände,
bringt er mir auch keine Ruh!

Bin ich bei einem geborgen,
glücklich, zufrieden und still,

lockt mich ein anderer morgen,
nie hab` ich das, was ich will.)