Alma Mahler-Werfel und Berlin - Teil 2
Aus ihrer Ehe mit Walter Gropius machte Alma über längere
Zeit allerdings ein Geheimnis. Ich bin seit Monaten
mit dem Architecten Walter Gropius verheiratet, schrieb
sie erst Anfang Februar 1916 an Margarethe Hauptmann. Da
dieser ausgezeichnete Mensch und Künstler aber seit Anfang
des Krieges an der Vogesenfront ist und ich seit unserer Kriegstrauung
wieder einsam und allein lebe, blieb ich meinem alten, lieben
Namen einstweilen treu - um den Winter über ruhig hier
weiter existieren zu können. Dass sie ihr Schweigen
nun, nach einem halben Jahr brach, hing wohl mit der Gewissheit
zusammen, schwanger zu sein. Sie dachte sogar zeitweilig darüber
nach, nach Berlin zu übersiedeln - ein Vorhaben, von
dem sie allerdings schnell wieder Abstand nahm. Solange Gropius
im Krieg stand, wollte Alma in Österreich bleiben und
ihr gewohntes Leben fortsetzen. Sie besuchte weiterhin Konzerte
und traf mit Musikern, Dirigenten, Wissenschaftlern und Künstlern
zusammen, die ihr als Witwe Mahlers ehrerbietig die Aufwartung
machten.
Trotz des Krieges und der unwirklichen Situation, eine Fernehe
führen zu müssen, versuchten Alma und Gropius wenigstens
für einige Wochen wie eine ganz normale Familie zu leben.
Doch der Schein trog. Zwar hatte Alma Mitte November in einem
Brief an Margarethe Hauptmann angekündigt, nach Kriegsende
nach Berlin zu ziehen, doch glaubte sie daran insgeheim wohl
selbst nicht mehr. In ihrem Tagebuch ließ sie ihren
Zweifeln freien Lauf: Er ist im Feld - wir sind lang
- über ein Jahr verheiratet
wir haben uns nicht
und manchmal habe ich Angst, dass wir einander fremd werden.
Dieses Zukunftsleben habe ich nun bald satt. Immer Provisorium!
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Oskar
Kokoschka
in Husarenuniform |
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Oskar Kokoschka:
Alma Mahler und OK (1913) |
An Oskar Kokoschka, der sich von seinen schweren Kriegsverletzungen
in einem Dresdner Sanatorium erholte, dachte sie nicht mehr,
er ist mir ein fremder hässlicher Schatten geworden
- nichts interessiert mich mehr an seinem Leben. Alma
war sich ihrer Gefühle sicher, sie bemerkte, dass
meine Sinne schweigen - dass ich Walter so sicher treu bleiben
kann. Denn ich liebe ihn und will ihn nicht verlieren.
Allerdings war ein Ende des fürchterlichen Krieges nicht
in Sicht. Mit der Wiederaufnahme des so genannten uneingeschränkten
U-Boot-Krieges im Februar 1917 provozierte das Deutsche Reich
den Kriegseintritt der USA zwei Monate später. Damit
rückte der Frieden in weite Ferne.
Gropius war inzwischen in die belgische Stadt Namur versetzt
worden, wo er in einer Heeresschule für das Nachrichtenwesen
unter anderem für die Ausbildung von Kriegshunden verantwortlich
war. Obwohl es sich um eine ehrenvolle Tätigkeit handelte
- schließlich wurden im Ersten Weltkrieg zehntausende
Vierbeiner als Sanitäts-, Posten-, Melde- und Ziehhunde
eingesetzt -, mag sich der Regimentsadjutant Gropius darüber
amüsiert haben, dass er nun offiziell eine Hundeschule
leitete. Nicht jedoch Alma. Noch immer kann ich mich
mit dem Gedanken nicht versöhnen, schrieb sie ihm,
Dich in einer Dir unwürdigen Stellung zu sehen.
Es ist zu hässlich für Dich - und für mich.
Sie schämte sich für ihren Mann: Hunde sind
unreine Tiere. Die Idee, Du schaust ihnen ins Maul mit Deinen
Händen - davor graust mir. Und außerdem empfinde
ich es als subalterne Stellung. Dressier artig. Dieser
Brief schloss mit einer unmissverständlichen Forderung:
Mein Mann muss erstrangig sein.
Am 5. Oktober 1916 war es endlich so weit. An jenem Donnerstag
ist mir ein neues, süßes Mädel geboren.
Unter den grausamsten Schmerzen - aber nun sie da ist, bin
ich froh. Ich bin verliebt in dieses Wesen! Als der
stolze Vater seine bildhübsche Tochter zum ersten Mal
zu Gesicht bekam, war er hingerissen und schwärmte gegenüber
seiner Mutter von langen schmalen Aristokratenfingern
und großen Augen, die schon bewusst in die Welt
schauen.
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Manon Gropius im Kostüm
eines Dramas, das Franz
Werfel übersetzt hat |
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Manon in Breitenstein
am Semmering |
Die Geburt der kleinen Manon war entgegen aller Hoffnungen
kein Wendepunkt in der Ehe von Alma und Walter Gropius. Die
beiden fanden auch über ihr gemeinsames Kind nicht wirklich
zueinander. Alma: Ich wollte noch einmal wissen, was
das heißt: ein Kind von einem geliebten Manne tragen
- bekommen - besitzen, aber dieses Problem ist erschöpft.
Meine sporadische Verliebtheit in Walter, wenn er bei mir
ist - ist mir nachher manchmal ein Ärgernis! Aufgrund
derartiger Resümees gewinnt man den Eindruck, dass Walter
Gropius in Almas Leben vor allem eine Funktion hatte, nämlich
mit ihr ein Kind zu zeugen. Scheiterte die Ehe mit Walter
Gropius also, weil der Nachwuchs nun da war und der Erzeuger
seine Pflicht erfüllt hatte?
Dass die Beziehung im Herbst 1917 vor dem Aus stand, hatte
mehrere Gründe. An erster Stelle: die unterschiedlichen
Temperamente. Dass Alma ihren Mann als lau und fad empfand,
wurde bereits erwähnt. Umgekehrt wird er ihren unberechenbaren
Stimmungen und ihrer Neigung zu hysterischen Inszenierungen
immer weniger Verständnis entgegengebracht haben. Seine
Leidenschaft für die Architektur teilte sie ohnehin nicht,
während er als musikalischer Laie, wenngleich interessiert,
ihr in der Musik kein gleichwertiger Partner sein konnte.
Am Ende war es der Weltkrieg, der dieser von vornherein zum
Scheitern verurteilten Ehe auf Distanz den Todesstoß
versetzte. Die Trennung machte ein normales Familienleben
unmöglich, es herrschte der permanente Ausnahmezustand.
Die kurze Heilung, die ich durch Walter erfahren hatte,
weicht durch stetes Alleinsein: vielmehr getrennt sein von
ihm, so dass ich mir ein Zusammenleben mit ihm fast nicht
mehr vorstellen kann. Ich bin irritiert - alles kränkt
mich - sehr traurig. Eine große Freude täte mir
Not! Und schließlich: Der 'Mann' hat keine
Bedeutung mehr für mich. Walter ist zu spät gekommen!
Im Frühjahr 1919 reiste Alma noch mit ihrer Tochter
Manon zu Walter Gropius nach Berlin und Weimar, wo er Ende
April das Bauhaus gegründet hatte und damit der Architektur,
dem Kunstgewerbe und Design des 20. Jahrhunderts eine neue
Richtung gab.
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