Entartete Kunst
1933
Neuordnung der Sammlung: die Gemälde Max Liebermanns
und der französischen Impressionisten werden ins Stammhaus
überführt, im Erdgeschoss werden jetzt die Werke
von Munch und van Gogh gezeigt, sowie Franzosen, Spanier und
fünfzehn neu erworbene italienische Künstler, darunter
de Chirico, Carra, Severini und Modigliani. Im Obergeschoss
kommt je ein Raum für Beckmann und Barlach hinzu, ergänzt
durch zahlreiche Neuerwerbungen.
Hermann Göring besucht das Kronprinzenpalais anlässlich
der Einweihung des italienischen Saales am 8. und 14. Februar
und empört sich besonders über die Werke Edvard
Munchs. Am 15. Februar wird die umgestaltete Sammlung unter
grossem Publikumsinteresse eröffnet.
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Direktor Justi (rechts) am Balkon
des Kronprinzenpalais
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Im März formulieren Museumsbeamte einen Protestbrief
an den Kultusminister, in dem sie für Direktor Justi
eintreten, dem vorgeworfen wird, jüdischer Kunst
und marxistischen Geschäften Vorschub zu
leisten. Im Sommer ordnet Reichskanzler Adolf Hitler die Säuberung
des Kronprinzenpalais an, befiehlt aber die Werke nicht zu
vernichten, sondern als Dokumente einer dunklen Zeit
deutscher Geschichte aufzubewahren.
Am 1. Juli wird Ludwig Justi vom Amt des Direktors beurlaubt
und in die Kunstbibliothek strafversetzt. Die Entwicklung
des Kronprinzenpalais wird jäh unterbrochen.
1934
Eberhard Hanfstaengel wird Justis Nachfolger. Mit Umsicht
versucht er besonders attackierte Werke zu entfernen und tauscht
Figurenbilder von Nolde, Schmidt-Rottluff, Marc, Feiniger,
Klee und Beckmann gegen unverfänglichere Landschaften
und Stillleben der Künstler aus. Abstrakte Werke von
Picasso, Braque und Gris lagert er im Magazin. Die Attacken
der nationalsozialistischen Presse gegen die Kunst im Kronprinzenpalais
nehmen zu.
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Franz Marc und Wilhelm Lembruck ("Kniende")
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1935
Im Februar kommt es durch die Gestapo in Auktionshaus Max
Perl Unter den Linden zur Beschlagnahmung von 64 Werken moderner
Kunst, darunter Werke von Max Pechstein, Otto Mueller und
Karl Hofer. Die Gestapo betraut Hanfstaengel mit der Aufgabe,
einen geringen Teil als kulturgeschichtlich bedeutend
auszusondern, den Rest jedoch zu vernichten. Hanfstaengel
rettet 5 Gemälde und 10 Zeichnungen, der Rest wird am
20. Mai 1936 auf Anweisung der Gestapo im Heizungskeller des
Kronprinzenpalais verbrannt.
1936
Während die Bestände moderner Kunst in vielen Museen
bereits magaziniert werden, bleibt die Sammlung des Kronprinzenpalais
noch bis Oktober öffentlich zugänglich. Am 30. Oktober
wird das obere Stockwerk mit Malereien und Plastiken der Expressionisten
endgültig geschlossen.
Samuel Beckett besucht das rudimentäre Kronprinzenpalais
und notiert im Tagebuch: Unspeakable Sittenausstellung
(19.12.), Erdgeschoss: Chirico, Modigliani Mädchen,
Kokoschka, Feininger, die Treppe hoch Sintenis, Kollwitz und
Corinth (20.1.1937)
1937
Totales Verbot jeglicher Kunst der Moderne. Maler, Schriftsteller
und Komponisten erhalten - soweit sie nicht emigriert sind
- Arbeits- und Ausstellungsverbot. Das bereits seit 1933 bestehende
Ankaufsverbot für nicht-arische und moderne Kunstwerke
wird verschärft.
Am 30. Juni ermächtigt Goebbels den Präsidenten
der Reichskammer der bildenden Künste, Ziegler, Werke
deutscher Verfallskunst seit 1910 zum Zwecke einer Ausstellung
auszuwählen und sicherzustellen. Hunderte Kunstwerke
werden aus Museen entfernt und für die am 19. Juli in
München eröffnete Ausstellung "Entartete Kunst"
konfisziert. Andere werden zerstört oder im Ausland über
Kommissionäre verkauft. Insgesamt werden aus deutschen
Museen 12.000 Grafiken und 5000 Gemälde entfernt.
Am 7. Juli werden auch 435 Werke der Nationalgalerie beschlagnahmt,
darunter Gemälde von van Gogh und Munch, von Barlach,
Beckmann und Klee und über 100 expressionistische Werke,
darunter allein 31 von Emil Nolde. Ergänzend werden Preise
und Art und Weise der Beschaffung notiert.
Besonders argwöhnisch reagiert die Kommission auf Kokoschka
und fordert dessen nach Wien ausgeliehene Bildnisse des Ehepaares
Loos zurück. Konfisziert wird allerdings nach längerer
Diskussion nur sein Gruppenbildnis Freunde.
Hanfstaengel verweigert der Beschlagnahmekommission seine
Mitarbeit und wird daraufhin beurlaubt. Noch im selben Monat
wird über einen Großteil der expressionistischen
Gemälde im Obergeschoss das Verdikt der Verfallskunst
gefällt. Mitte August kommt es zu einer zweiten Beschlagnahmeaktion
von weiteren 67 Gemälden.
1938
Um die gesetzeswidrigen Beschlagnahmungen nachträglich
zu sanktionieren wird ein Gesetz zur entschädigungslosen
Enteignung öffentlichen Kulturbesitzes erlassen.
1939
Die Nationalgalerie erhält am 14. Februar die Anweisung,
alle konfiszierten Werke aus ihren Inventarlisten zu löschen.
Damit endet die Galerie der Lebenden im Berliner
Kronprinzenpalais, die glanzvollste Periode einer in Deutschland
einzigartigen Sammlung.
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Krieg und Nachkrieg
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