Alma im Werk Oskar Kokoschkas
Oskar Kokoschka lernte Alma am 12. April 1912 bei einem Abendessen
im Hause ihres Stiefvaters Carl Moll kennen. In der Folge
entwickelte sich eine wilde "Amour fou", mit der
ein unbändiger Schaffensdrang einherging: Kokoschka schuf
bis zum Ende der Liaison im Jahr 1915 etwa 450 Zeichnungen
und Gemälde, die in Zusammenhang mit Alma und seiner
Passion für sie stehen.
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Alma Mahler (1912,
Öl auf Leinwand)
In den ersten Tagen ihrer Bekanntschaft, im April 1912, bittet
Alma Mahler Kokoschka, sie zu porträtieren. Kokoschka
lässt sie als neue Gioconda posieren und gibt ihr ebenso
geheimnisvolle Züge wie Leonardo seiner Mona Lisa. Er
malt die schöne junge Frau in zartem, irisierendem Kolorit,
blauäugig und rotblond, mit langen, aufgelösten
Haaren. Zugleich wirkt sie mit ihrem schmalen, energiegeladenen
Mund sehr entschlossen, fast gefährlich. Alma selbst
sah sich in dem Porträt als Lucrezia Borgia, jene schöne
Renaissancefürstin, die berühmte Künstler wie
Ariost an den Ferrareser Hof gezogen hatte und durch ihr wildes
Liebesleben berüchtigt wurde.
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Doppelbildnis Oskar Kokoschka und
Alma Mahler (1912/1913, Ölbild)
Ende 1912 arbeitete Kokoschka an diesem Doppelbildnis,
auf dem Alma einen roten Schlafanzug trägt, der für
Kokoschka zu einer Art Fetisch wurde. Sie schreibt: Ich
bekam einst einen feuerfarbenen Pyjama geschenkt. Er gefiel
mir nicht wegen seiner penetranten Farbe. Oskar nahm ihn mir
sofort weg und ging von da ab nur mehr damit bekleidet in
seinem Atelier herum. Er empfing darin die erschreckten Besucher
und war mehr vor dem Spiegel als vor seiner Staffelei zu finden.
Unverkennbar stellt das Bild das Liebespaar Oskar und
Alma dar, sie reichen sich wie zur Verlobung
die Hände. Das erkannte wohl auch Walter Gropius, der
das Doppelbildnis im Frühjahr 1913 auf der 26. Ausstellung
der Berliner Secession zu sehen bekam. Die Aussage war unmissverständlich
und muss ihn tief getroffen haben, zumal Alma ihm in ihren
Briefen das bereits über ein Jahr währende Verhältnis
mit Kokoschka stets verheimlicht hatte.
Sieben Fächer für Alma
Mahler
(1912/1913, Tusche und Aquarell auf
ungegerbter Ziegenhaut)
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Kokoschka bezeichnete die sieben Fächer, die er Alma
zwischen 1912 und 1914 schenkte, als "Liebesbriefe in
Bildersprache". Der erste Fächer entstand zu Almas
Geburtstag im August 1912. Der dritte illustriert die gemeinsame
Italienreise 1913 und bildet die Vorlage zum späteren
Gemälde Die Windsbraut. Auf ihm suchen die
Geliebten Schutz in einer Barke, eine Reminiszenz an gemeinsames
Erleben während ihres Aufenthaltes in Neapel. Im Hintergrund
der ausbrechende Vesuv. Am siebten Fächer (1914) zeichnet Kokoschka die Vision des Kriegsendes (der Krieg hat gerade erst begonnen) und die Gräuel des Ersten Weltkrieges. Er wird zum Todessymbol seiner Liebe zu Alma: Zivilisation, Natur und Leben sind zerstört. Alma führt ihre Hand ans Kinn eines vom Kampf gezeichneten Kriegers. Daneben ist sie mit ihrem ungeborenen Kind zu ihren Füßen zu sehen. Links gibt eine Frau in einer von Granaten zerstörten Landschaft ihren Kindern zu essen. Im nächsten Segment sitzt ein einsames Kind vor einem brennenden Gebäude und weint. Beim gefallenen Krieger mit dem Bajonett in der Brust scheint es so, als ob Kokoschka seine eigene Kriegsverwundung (ein Bajonettstich in die Brust) vorausgeahnt hätte. Das Kanonenfeuer trägt Kokoschkas Monogramm und das Datum des Kriegsausbruchs. Daneben marschiert die Infanterie in den Tod. Ganz rechts trauern drei Witwen vor Grabhügeln um die gefallenen Soldaten. Sie wandern über Totenschädel. Nur sechs Fächer haben überlebt,
den Siebten warf Almas Ehemann Walter Gropius aus Eifersucht
ins Feuer.
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Einzig erhaltenes Foto des Freskos über dem
Kamin in Almas Haus.
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Fresko für Almas Haus in Breitenstein
(1913, Tempera und Öl auf Kalkputz)
Bevor Alma im Dezember 1913 ihr neues Haus in Breitenstein
am Semmering bezog, malte Kokoschka ein vier Meter breites
Fresko über den Kamin, als Fortsetzung der Flammen darunter
und Alma darstellend, wie sie in gespensterhafter Helligkeit
zum Himmel weise, während er in der Hölle stehend
von Tod und Schlangen umwuchert schien. Die kleine Anna
Mahler stand daneben und fragte: "Ja, kannst Du denn
gar nichts andres malen als die Mami?" Das Fresko
galt lange als verschollen und wurde erst 1988 wiederentdeckt.
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Weib über Schemen gebeugt (1913)
Doppelakt Liebespaar (1913)
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Alma Mahler mit Kind und Tod (1913,
Kreide)
Kokoschka zeigt Alma mit dem Fötus ihres gemeinsamen
Kindes, eine krasse Darstellung der für ihn so schmerzhaften
Abtreibung im Oktober 1912. Mit den Fingerspitzen berührt
der Tod das Haupt Almas, beschämt versucht sie, das abgetriebene
Kind unter ihrem Rockzipfel zu verbergen.
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Alma Mahler mit Kind und Tod (1913)
Alma spinnt mit Kokoschkas Gedärmen (1913) |
Alma Mahler spinnt mit Kokoschkas
Gedärmen (1913, Kreide)
Kokoschka veranschaulicht hier noch einmal die Schmerzen,
die ihm Alma durch die Abtreibung des gemeinsamen Kindes zugefügt
hatte. Er verwendet die Geschichte von der "Marter des
hl. Erasmus von Formio", wobei er aber die übliche
Winde gegen ein Spinnrad austauscht, auf das Alma seine aus
dem Bauch hervorquellenden Gedärme aufspult.
Eifersucht auf den Komponisten Hans Pfitzner
Alma Mahler von Verehrern bedrängt
(1913, Kreidelithografie)
Alma Mahler liebkost Pfitzner (1913)
Alma wird in einem Sakralraum von sechs Verehrern bedrängt
und scheint dies zu geniessen. Als Illustration zu Karl Kraus'
"Die chinesische Mauer" zitiert Kokoschka den Vater
der ermordeten Desdemona: "Väter, hinfort traut
Euren Töchtern nie!" In einer Studie zu dieser Lithografie
porträtierte Kokoschka explizit den Komponisten Hans
Pfitzner, der sich zu dieser Zeit intensiv um Alma bemühte.
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Alma Mahler (1913, Kreide)
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Allos Makar
(1913, Lithografiezyklus, 4 Blätter)
Aus den Buchstaben der Namen Alma und Oskar formte Kokoschka
den Titel eines Gedichtes Allos Makar (griechisch für
Anders ist glücklich), das er durch diesen
Grafikzyklus illustrierte:
Wie verdrehte wunderbar mich, seit aus einer Nebelwelt,
sie zu suchen, mich ein weißes Vöglein aufgerufen,
ALLOS,
ALLOS, der ich nie gegenüber kam. Weil im Augenblicke
schnell sie sich verwandelt in mein Wesen, wie eine Hintertür.
Leidet Ohren. Trachtet Augen, sie zu schauen! Ich bin die arme Sommernacht, die verschwand und weint aus einer Erdspalte.
Alma mit Kind (1913/14, Zeichnung)
In der Zeichnung veranschaulichte Kokoschka seinen sehnlichsten
Wunsch nach einem gemeinsamen Kind mit Alma Mahler. In der
Tat war Alma zwei Mal von Oskar Kokoschka schwanger: Ein Kind
hat sie noch im Mutterleib verloren, das zweite aber abtreiben
lassen. Kokoschka hat diese Abtreibung nie verwunden. Immer
wieder hoffte er auf eine neuerliche Schwangerschaft von Alma
Mahler und sehnte diese in zahlreichen Kunstwerken herbei.
Besonders intensiv war dieses Phänomen während und
kurz nach der Italienreise, die Oskar Kokoschka und Alma Mahler
im April 1913 unternahmen: So entstand auf Capri eine Wandzeichnung
mit der liegenden Alma am Strand mit einem Kleinkind, und
wenige Monate später in Wien die gegenständliche
Zeichnung mit Alma Mahler und dem Knaben mit den Gesichtszügen
Oskar Kokoschkas. Diese MutterKindDarstellung
steht stilistisch am Beginn der bedeutenden Serie von Bildniszeichnungen
und einem Gemälde, die Kokoschka »Mania«
bezeichnete.
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Alma mit Kind (1913/14)
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Selbstzeichnung (1913)
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Pieta (1914)
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Die Windsbraut (1913, Öl
auf Leinwand)
Kokoschkas berühmtestes Gemälde zeigt ihn und Alma
als Schiffbrüchige in einem kleinen Boot auf stürmischer
See. Das Gemälde hieß zuerst Tristan und
Isolde, der Titel jener Oper Richard Wagners, die die
erste Begegnung der beiden im April 1912 begleitete. Bezeichnend
scheint, wie Alma sich zärtlich an ihn schmiegt und zu
schlafen scheint, Kokoschka aber unruhig und mit geöffneten
Augen daliegt.
Als er das Bild malte, war der Dichter Georg Trakl fast
täglich bei ihm und hat das Gemälde in seinem Gedicht
"Die Nacht" besungen: Golden lodern die Feuer
der Völker rings. Über schwärzliche Klippen
stürzt todestrunken die erglühende Windsbraut, die
blaue Woge des Gletschers und es dröhnt gewaltig die
Glocke im Tal: Flammen, Flüche und die dunklen Spiele
der Wollust stürmt den Himmel ein versteinertes Haupt.
Noch zu Almas siebzigstem Geburtstag im August 1949 schrieb
Oskar Kokoschka: In meiner Windsbraut sind wir auf
ewig vereint!
Stilleben
mit Putto und Kaninchen (1914, Öl auf Leinwand)
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Stilleben mit Putto und Kaninchen
(1914, Öl auf Leinwand) |
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In dem Bild von 1914 gestaltete Kokoschka in einem merkwürdigen
Gleichnis das Zerbrechen seines Liebesverhältnis mit
Alma, das er in seinem Hauptwerk Die Windsbraut
noch kurz zuvor gefeiert hatte. Man darf aus Lässigkeit
das Werden eines Menschenlebens nicht absichtlich verhindern.
Es war ein Eingriff auch in meine Entwicklung, das ist doch
einleuchtend. Mit dem Eingriff, den Kokoschka hier in
seinen Lebenserinnerungen erwähnt, spricht er das von
Alma erwartete gemeinsame Kind an, das sie 1914 abtreiben
ließ. In verschlüsselter Form versuchte Kokoschka,
sich diesem Ereignis zu nähern: In einer geheimnisvollen
düsteren Landschaft sitzt im Vordergrund eine im Sprung
angespannte Katze. Ihr Kopf ist zurückgewendet zu einem
hinter ihr sitzenden Kaninchen. Mit ihrem Blick hat sie das
kleine Tier ganz in ihren Bann gezogen. Abseits dieser Szenerie
kauert ein kleines, männliches Kind. Auf die Portraitähnlichkeit
der Katze mit Alma wurde schon mehrfach hingewiesen. Die Identifikation
mit dem nicht ausgetragenen Kind lässt die leidbetonende
Gestik und die erdrückende Macht des Baumstammes zu Sinnbildern
des Todes werden. Alma hat sich von ihm abgewandt. Ihr mahnender
Blick gilt allein dem Kaninchen. So zeigt das in eine apokalyptische
Stimmung getauchte Stilleben mit Putto und Kaninchen
bereits das kommende Ende der Beziehung an.
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Fortuna (1914/15)
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Studie zur Frau in Blau (1919, Tusche)
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Fortuna (1914/15, Lithographie)
Titelbild der "Vier Lieder" von Alma Maria Schindler-Mahler,
erschienen bei der Universal Edition Wien
Irrender Ritter (1915, Öl auf Leinwand)
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Irrender Ritter (1915, Öl auf Leinwand) |
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In seinem Selbstbildnis porträtiert sich Kokoschka als "irrender Ritter":
ein in der Liebesschlacht Gefallener. Er liegt träumend in einer Trümmerlandschaft. Etwas abseits: Alma. Und im Himmel darüber: ihr ungeborenes Kind.
Stehender weiblicher Akt - Alma
Mahler (1918)
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Diese lebensgroße Aktskizze von Alma Mahler wurde 1918
von Kokoschka als Vorlage für die Alma-Puppe für
Hermine Moos angefertigt. Die wichtigsten körperlichen
Merkmale von Alma wurden besonders hervorgehoben und die Fettablagerungen
durch weiße Flecken naturgetreu abgebildet. Durch den
Verwendungszweck bleibt dem bis vor kurzem verschollenen Werk
ein Sonderplatz in Kokoschkas gesamten Schaffen eingeräumt,
da das Bild ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit
gedacht war, sondern ausschließlich für als Vorlage
für die Puppenmacherin Hermine Moos. In einem Begleitbrief
schrieb Kokoschka eine Gebrauchs-Anleitung für die Puppenmacherin:
"Sehr neugierig bin ich auf die Wattierung, auf meiner
Zeichnung habe ich die mir wichtigen Flächen, entstehenden
Gruben, Falten etwas schematisch angedeutet, durch die Haut
- auf deren Erfindung und stofflichen, dem Charakter der Körperpartien
entsprechenden, verschiedenen Ausdruck ich wirklich höchst
gespannt bin - wird alles reicher, zärtlicher, menschlicher
werden?" Alma wird hier als "geläuterte Sünderin
in vollem Fleisch" mit den Händen zum Gebet erhoben,
gezeigt. Sünderin deswegen, weil sie in den Augen Kokoschkas
eine nicht wieder gutzumachende Tat begangen hatte: Sie ließ
ihr gemeinsames Kind abtreiben, ohne vorher Kokoschka um Erlaubnis
gefragt zu haben, die er ihr niemals gegeben hätte.
Der Puppenfetisch mit Katze (1919, Grüne
Kreide)
Frau in Blau (1919, Öl auf
Leinwand)
Das im Juni 1919 entstandene Gemälde wurde mehrfach überarbeitet
und in etwa zwanzig Studien vorbereitet. Als Modell diente
die lebensgroße Puppe, die Kokoschka nach detaillierten
Angaben und einer Ölskizze von der Münchner Puppenmacherin
Hermine Moos anfertigen hatte lassen.
Ausgestattet mit den Zügen von Alma, sollte die »stille
Frau« eine willfährige Ersatzgefährtin und
Muse sein. Die "Frau in Blau" ist eines der ersten
Bilder aus der Serie der Auseinandersetzung mit Alma und der
Fetischpuppe. Das Interessante ist, daß es nach der
Alma-Fetischpuppe gemalt wurde. Ein Freund Kokoschkas erinnerte
sich, daß er diesen bei der Arbeit zu dem Bild einmal
besuchte und bei dieser Gelegenheit die lebensgroße
Puppe in einen blauen Mantel gehüllt auf dem Sofa lag.
Da das Bildnis Almas eher grob und spontan scheint, ist es
um so verwunderlicher, daß Kokoschka zu dem Bild mehr
als 100 Entwürfe fertigte.
Selbstbildnis mit Puppe (1920/21,
Öl auf Leinwand)
Das 1920/21 entstandene Bild zeigt Kokoschka mit seinem Alma-Fetisch.
Vom sattgrünen Hintergrund, den Einsprengsel in hellem
Blau durchbrechen, und der vielleicht einem Raum in der freien
Natur suggerieren soll, hebt sich das ultramarinblaue Gewand
Kokoschkas ab, der hinter der Puppe sitzt.
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Die Stoffrau stützt ihren plumpen Körper auf ein
leuchtend rotes Polster während die Unterlage, auf der
sie sitzt, ins Orange spielt. Ihr unproportionierter Leib
ist von Nahem gesehen ein gesprenkelter Flickenteppich aus
rosa, ocker, braunen und cremefarbenen Tönen. Ja selbst
krasses Rot ist an den Brustspitzen und in der Schamgegend
auszumachen. Erst im Abstand fügen sich die gespachtelten
Farbflecken zum Bild, wenn auch der Eindruck von Bandagen,
besonders um die Beine, bestehen bleibt. Die Stofffrau stützt
ihren plumpen Körper auf ein leuchtend rotes Polster,
im Gegensatz zum leblosen Rumpf wirkt ihr Gesicht jedoch sehr
lebendig. Kokoschka deutet traurig und resigniert auf ihren
Schoss, wie ein Ankläger präsentiert er sie einem
unsichtbaren Tribunal als die Verursacherin seiner Schmerzen.
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Liebespaar (1918/19, Rohrfeder)
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Hingabe (1919, Tusche)
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Orpheus und Eurydike
Kokoschkas expressionistisches Drama "Orpheus und Eurydike"
(1918) spiegelt im Mythos der antiken Liebesgeschichte das
Scheitern seiner Liebe zu Alma wider. Es wurde von Almas Schwiegersohn
Ernst Krenek als Oper in drei Akten op. 21 vertont, wobei
Orpheus Kokoschka selbst war, Eurydike Alma, Psyche ihre Tochter
Anna Mahler und mit Pluto, dem Gott der Unterwelt, wurde Gustav
Mahler herauf beschworen.
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Selbstbildnis (1918/19)
Plakat zur Kunstschau (1919)
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