Die Komponistin Alma In ihrer künstlerisch aktiven Zeit komponierte Alma etwas mehr als hundert Lieder, verschiedene Instrumentalstücke und den Anfang einer Oper. Von ihrem uvre sind allerdings nur sechzehn Lieder erhalten geblieben. Die übrigen Kompositionen (die Manuskripte vieler Lieder, musikdramatischen Entwürfe, Klavier- und Kammermusikkompositionen) gingen während des Zweiten Weltkrieges verloren. | | | | | | | | | | Alma 1900 | | Alma 1909 | | Alma 1900 | 1910 gab ihr Ehemann Gustav Mahler bei der Universaledition fünf Lieder heraus, die Alma zwischen 1900 und 1901 komponiert hatte. Nach der schweren Ehekrise, die Almas Affäre mit Walter Gropius folgte, nahm sich Mahler wie mit schlechtem Gewissen plötzlich dieser Jugendkompositionen an, schlug sogar eine gemeinsame Überarbeitung vor. Noch im selben Jahr ließ er folgende fünf Lieder drucken und in Wien und New York uraufführen: - Die stille Stadt, Text von Richard Dehmel - In meines Vaters Garten, Text von Otto Erich Hartleben - Laue Sommernacht, Text von Otto Julius Bierbaum - Bei dir ist es traut, Text von Rainer Maria Rilke - Ich wandle unter Blumen, Text von Heinrich Heine | | | | | | Erstveröffentlichung von Almas Liedern, herausgegeben 1910 von G. Mahler | | Vier Lieder 1915, mit dem Titelblatt "Fortuna" von Oskar Kokoschka | 1915 veröffentlichte Alma Mahler-Werfel vier weitere Lieder, aus der Zeit zwischen 1901 und 1911. Das Titelblatt zierte Oskar Kokoschkas Lithographie "Fortuna": - Licht in der Nacht, Text von Otto Julius Bierbaum - Waldseligkeit, Text von Richard Dehmel - Ansturm, Text von von Richard Dehmel - Erntelied, Text von Gustav Falke 1924 wurden fünf weitere Lieder veröffentlicht: - Hymne, Text von Novalis - Ekstase, Text von Otto Julius Bierbaum - Der Erkennende, Text von Franz Werfel, komponiert 1915 - Lobgesang, Text von Richard Dehmel - Hymne an die Nacht, Text von Novalis 2000 wurden zwei nachgelassene Lieder Almas publiziert: - Kennst du meine Nächte, Textdichter unbekannt - Leise weht ein erstes Blühn, Text von Rainer Maria Rilke Alma in der Musik anderer Komponisten MAHLER 5. Symphonie (Liebesbrief an Alma) | | | | Mahler und Wilem Mengelberg 1906 am Zuiderzee in Holland | | Das "Adagietto" in Mahlers 5. Symphonie ist eine musikalische Huldigung an Alma. In der Partitur, die er seinem Freund, dem Dirigenten Willem Mengelberg, gegeben hatte, kann man einen Eintrag des Besitzers lesen: "Dieses Adagietto war eine Liebeserklärung an Alma! Statt eines Briefes sandte er ihr dieses im Manuskript: weiter kein Wort dazu. Sie hat es verstanden und schrieb ihm, er solle kommen!!! Beide haben mir dies erzählt. WM". Ausserdem wurde das Adagietto als Leitmotiv zu Viscontis Tod in Venedig weltberühmt. Den Trauermarsch der 5. Symphonie gibt es, von Mahler selbst auf einem mechanischen Welte-Klavier gespielt - Piano Rolls (Originalaufnahmen) 6. Symphonie (Das "Alma-Thema") Gustav Mahlers Sechste Sinfonie in a-Moll von 1904 ist eines seiner finstersten und gewaltvollsten Werke. Lange wurde sie selbst von Mahler-Verfechtern als "zu negativ" abgelehnt, heute gibt es über sechzig Einspielungen davon. Die Arbeit nahm Mahler im Sommer 1903 in Maiernigg am Wörthersee auf, wo er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter Maria Anna die Ferien verbrachte. Alma berichtet, dass er sich damals in guter Verfassung befand: »Er spielte viel mit dem Kind, das er herumschleppte, in den Arm nahm, um mit ihm zu tanzen und zu singen. So jung war er damals und unbeschwert.« | | | | | | | | | | Maria Anna 1906 | | Mahlers Villa in Maiernigg | | Alma 1905 | Alma brachte am 15. Juni 1904 ihre zweite Tochter Anna Justine zur Welt und reiste zu ihrem Mann. »Der Sommer war schön, konfliktlos, glücklich«, berichtet sie in ihren Memoiren. Mahler vollendete die Sechste und fügte den bereits bestehenden zwei Kindertotenliedern drei weitere hinzu. Am Ende der Ferien spielte er seiner Frau die Symphonie vor. »Wir gingen wieder Arm in Arm in sein Waldhäuschen hinauf, wo wir mitten im Walde ohne Störung waren. All das geschah immer mit einer großen Feierlichkeit.« Direkt im Anschluss an diesen Bericht machte Alma die folgenden Angaben: »Nachdem er den ersten Satz entworfen hatte, war Mahler aus dem Walde herunter gekommen und hatte gesagt: Ich habe versucht, dich in einem Thema festzuhalten - ob es mir gelungen ist, weiß ich nicht. Du mußt dirs schon gefallen lassen. Es ist das große, schwungvolle Thema des I. Satzes." | | Das" Alma-Thema" im 1. Satz der 6. Symphonie "Im dritten Satz [das Scherzo] schildert er das arhythmische Spielen der beiden kleinen Kinder, die torkelnd durch den Sand laufen. Schauerlich - diese Kinderstimmen werden immer tragischer, und zum Schluß wimmert ein verlöschendes Stimmchen." | | | | | | Mahler und Tochter Maria | "Im letzten Satz beschreibt er sich und seinen Untergang oder wie er später sagte, den seines Helden. Der Held, der drei Schicksalsschläge bekommt, von denen ihn der dritte fällt, wie einen Baum. Dies Mahlers Worte. Kein Werk ist ihm so unmittelbar aus dem Herzen geflossen wie dieses. Wir weinten damals beide. So tief fühlten wir diese Musik und was sie vorahnend verriet. Die Sechste ist sein allerpersönlichstes Werk und ein prophetisches obendrein. Er hat sowohl mit den Kindertotenliedern wie auch mit der Sechsten sein Leben anticipando musiziert. Auch er bekam drei Schicksalsschläge, und der dritte fällte ihn. Damals aber war er heiter, seines großen Werkes bewußt und seine Zweige grünten und blühten." | | | | Mahler mit seinen beiden Töchtern 1905 in Maiernigg | | Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass Mahler nach der Generalprobe zur Uraufführung im Mai 1906 in Essen ganz erschüttert war. Er schluchzte, rang sich die Hände, war seiner nicht mächtig. Kein Werk - so Alma - sei ihm beim ersten Hören so nahe gegangen. Im Konzert soll er die Symphonie »fast schlecht« dirigiert haben, »weil er sich seiner Erregung schämte und Angst hatte, daß die Empfindung während des Dirigierens aus ihren Grenzen brechen könnte. Die Wahrheit dieses schrecklichsten letzten Antizipando-Satzes wollte er nicht ahnen lassen!« Es scheint, als habe Mahler tatsächlich die tragischen Ereignisse geahnt, die das Jahr 1907 ihm und seiner Familie bringen sollte: den Tod seiner älteren Tochter, die Demission von der Wiener Hofoper und vor allem die Diagnostizierung seines Herzleidens. 8. Symphonie (Alma gewidmet) Die achte Symphonie, die Gustav Mahler seiner Frau Alma gewidmet hat, die Symphonie mit der gewaltigsten Besetzung (drei Chöre, Kinderchor, Vokalsolisten, erweitertes Orchester), die ihr auch den Beinamen »Symphonie der Tausend« eingetragen hat endet mit dem Faust-Chorus: »Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; Das Unzulängliche, hier wird's Ereignis: Das Unbeschreibliche, hier ist's getan: Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.» | | | | | | Uraufführungsplakat der 8. Symphonie in München | | Gustav Mahler mit Freunden im September 1910 in München zur Zeit der Uraufführung der 8. Symphonie | Die überwältigend erfolgreiche Uraufführung am 12. September 1910 in München bildete den krönenden künstlerischen Abschluss in Mahlers Leben. Es war das letzte seiner Werke, das Mahler selbst vom Konzertpodium aus der Welt vorstellte. Als er acht Monate später, am 18. Mai 1911 starb, hinterliess er zwei unveröffentlichte Partituren: "Das Lied von der Erde" und die 9. Sinfonie, aber auch ein Manuskript mit dem Entwurf zu einer zehnten. Über den Entwurf der Zehnten kursierten zunächst nur widersprüchliche Gerüchte, und es liegt die Vermutung nahe, dass keiner von denen, die sich über die Zehnte äusserten, Gelegenheit hatte, das Manuskript einer näheren Prüfung zu unterziehen. Alma Mahler hielt den Entwurf der Zehnten unter Verschluss, und so wurde ihm vorerst keine weitere Beachtung geschenkt. Im Stück Alma ist die Achte Oskar Kokoschka, Almas wildestem und verzweifeltsten Liebhaber, zugeordnet. Das »Veni Creator spiritus« (»Komm, Schöpfer Geist!») taucht verschiedentlich als Vorbote der Alma-Puppe auf, Kokoschkas Verwundung und ihre Ankunft wird durch die strahlende Chorpassage begleitet. | | | | Gustav Mahler im Schicksalsjahr 1907, porträtiert vom finnischen Maler Akseli Gallen-Kallela | | Das Lied von der Erde Das Lied von der Erde entstand von 1907 bis 1908 in Toblach. 1907 begann Mahler mit der Komposition, in dem Jahr wo ihn die drei "Hammerschläge des Schicksals" trafen: der Tod seiner ältesten Tochter Maria Anna, der Verlust der Position des Hofoperndirektors in Wien und der Diagnose seiner schweren Herzerkrankung. Hörte er mit der Fortzählung seiner Sinfonien auf und wählte die Bezeichnung "großer sinfonischer Liederzyklus", weil er das Schicksal nicht herausfordern wollte, das Komponisten wie Beethoven und Bruckner nur neun Symphonien gestattet hatte? Als er dann tatsächlich an seiner 9. Symphonie arbeitete, sagte er zu Alma: "Eigentlich ist es ja die Zehnte, weil das Lied von der Erde meine Neunte ist." Seine zehnte Symphonie schließlich konnte Mahler nicht mehr vollenden. Mit dem "Lied von der Erde" setzte auch eine Änderung von Mahlers Kompositionsstil ein, sein Spätwerk begann. Nach dem Studium von Hans Bethges Sammlung "Die Chinesische Flöte" mit Nachdichtungen altchinesischer Lyrik wurde seine Tonsprache reduzierter. Kargheit statt einem Aufgebot von Riesenorchestern und -chören, wie zuletzt noch in der Achten Symphonie. Bruno Walter schreibt in seinen Erinnerungen aus dieser Zeit: "Ist es wirklich derselbe Mensch, der ‚in Harmonie mit dem Unendlichen' den Bau der Achten errichtet hatte, den wir nun im Trinklied vom Jammer der Erde wiederfinden? […] Der in der Trunkenheit Vergessen des sinnlosen irdischen Daseins sucht und schließlich in Schwermut Abschied nimmt? Es ist kaum derselbe Mensch und Komponist. Alle Werke bis dahin waren aus dem Gefühl des Lebens entstanden. Die Erde ist im Entschwinden, eine andere Luft weht herein, ein anderes Licht leuchtet darüber." Kurz vor der Vollendung des Werkes schrieb Mahler an Bruno Walter: "Ich war sehr fleißig. Ich weiß es selbst nicht zu sagen, wie das Ganze benamst werden könnte. Mir war eine schöne Zeit beschieden und ich glaube, daß es wohl das persönlichste ist, was ich bis jetzt gemacht habe." 10. Symphonie (Almas Untreue) Das Geheimnis der letzten Sinfonie Mahlers hat die Menschen von jeher gefesselt. Es sieht so aus, vermutete Arnold Schönberg, als ob uns in der ,Zehnten' etwas gesagt werden könnte, was wir noch nicht wissen sollen. Er huldigte damit der Aura jener ominösen Zahl, an der so viele bedeutende Sinfoniker, darunter Beethoven und Bruckner, gescheitert waren. Auch Mahler gelang es nicht, eine 10. Sinfonie zu vollenden. Sein letztes Werk teilt mit Schuberts Unvollendeter den Charakter des Fragments; mit Bruckners Neunter und dem Requiem von Mozart verbindet diese Zehnte zugleich das Los, dass der Tod des Komponisten die Vollendung buchstäblich vereitelt hat. | | | | | | Arnold Schönberg: Portrait Gustav Mahler (1910) | | Handschriftliche Notizen Mahlers auf der Partitur zur 10. Symphonie: "Der Teufel tanzt es mit mir... Wahnsinn, faß mich an, Verfluchten! Vernichte mich... daß ich vergesse, daß ich bin! Daß ich aufhöre, zu sein... daß ich verschw
" | Die Manuskripte zur Zehnten entstehen zwischen dem 3. Juli und dem 3. September 1910. Diese Wochen verbringt Mahler in seinem Südtiroler Feriendomizil bei Toblach; In diesem Sommer wird die kompositorische Besinnung durch Ereignisse von tief greifender, existentieller Bedeutung gestört: Durch ein Versehen (oder gezielte Indiskretion) erfährt Mahler von der Affäre, die seine Frau Alma seit Anfang Juni mit dem Architekten Walter Gropius unterhält. Die Enthüllung vernichtet für ihn jäh alle familiäre Sicherheit. Verlustängste quälen ihn fortan - und dies, wie man heute weiß, keineswegs ohne Grund: Denn trotz einer Aussprache mit Gropius verfolgt Alma die intime Beziehung heimlich weiter. Um der unmittelbaren psychischen Folgen der Ehekrise Herr zu werden, reist Mahler Ende August ins holländische Leiden und sucht in einem therapeutischen Gespräch Rat bei Sigmund Freud. Die Konsultation dauerte höchsten vier Stunden und hatte trotzdem durchschlagenden Erfolg. | | | | Almas Vater, Emil Jakob Schindler | | In einem Brief an seine Schülerin Marie Bonaparte äußert sich Freud zu seiner Diagnose: «Mahlers Frau Alma liebte ihren Vater Rudolf Schindler und konnte nur diesen Typus suchen und lieben. Mahlers Alter, das er so fürchtete, war gerade das, was ihn seiner Frau so anziehend machte. Mahler liebte seine Mutter und hat in jeder Frau deren Typus gesucht. Seine Mutter war vergrämt und leidend, und dies wollte er unterbewußt auch von seiner Frau Alma.» Mit dieser Analyse gab Freud eine Art versteckte Lizenz zum Inzest und bescherte den beiden dadurch letzte gemeinsam glückliche Monate. Alma war allerdings empört, als Freud ihr kurz nach Mahlers Tod im Mai 1911 ungeniert die Rechnungfür diese kurze analytische Sitzung in Leiden zusandte. Mit einem Bekenntnis beginnt Almas Vorwort zur ersten Faksimile-Ausgabe der 10. Symphonie von 1924: "...Habe ich es erst für mein teures Recht gehalten, den Schatz der zehnten Sinfonie im Verborgenen zu wahren, so weiss ich es nunmehr als meine Pflicht, der Welt die letzten Gedanken des Meisters zu erschliessen. Die einzig richtige Form der Veröffentlichung der zehnten Symphonie konnte nur die Faksimilierung sein. Sie verkündet nicht nur die letzte Musik des Meisters, sie zeigt in den erregten Zügen der Handschrift das rätselhafte Selbstbildnis des Menschen und zeugt für ihn fort. Manche werden in diesen Blättern wie in einem Zauberbuch lesen, andere wieder werden vor magischen Zeichen stehen, zu denen ihnen der Schlüssel fehlt, keiner wird sich der Macht entziehen, die von diesen Notenzügen und hingeschleuderten Wortekstasen weiterwirkt". Mahler hatte seine Verzweiflung über die Ehekrise auf die Partitur geschrieben: | | | | Für dich leben! Für dich sterben! Almschi! | | Erbarmen!oh, Gott! Oh, Gott! Warum hast du mich verlassen? - Der Teufel tanzt es mit mir... Wahnsinn, faß mich an, Verfluchten! Vernichte mich... daß ich vergesse, daß ich bin! Daß ich aufhöre, zu sein... daß ich verschw
Du allein weißt, was es bedeutet. Ach! Ach! Ach! Leb' wol mein Seitenspiel! Leb wol... Leb wol... Leb wol... Ach wol... Ach, ach. Diese erste Faksimile-Ausgabe blieb nicht die einzige Bemühung Almas im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Zehnten. 1924 konsultierte sie den Komponisten Ernst Krenek (ihren Schwiedersohn) hinsichtlich einer möglichen Vervollständigung des Manuskripts. Er sagte zu" beschränkte sich aber darauf, eine Reinschrift des Adagios (l. Satz) und eine aufführbare Partitur des "Purgatorio" (3. Satz) anzufertigen. Als gewiefte Geschäftsfrau habe sie die Idee gehabt, erinnert sich Ernst Krenek, Mahlers neun Symphonien eine zehnte hinzuzufügen, denn es schien ein einfaches Rechenexempel zu sein, dass zehn Symphonien in den Konzertprogrammen mehr bringen würden als neun. Er entschied aber, dass er nur die Teile Adagio und Purgatorio edieren könne, die restlichen drei Sätze jedoch nicht anrühren würde: Es hätte der schamlosen Kühnheit eines unsäglichen Barbaren bedurft, um den Versuch zu wagen, dieses leidenschaftliche Gekritzel eines sterbenden Genies zu orchestrieren. Alma war zutiefst enttäuscht und verstimmt, als ich ihr diesen Stand der Dinge erklärte. Ich freue mich, dass ich hart blieb und nicht einmal im Traum daran dachte, bei einer abscheulichen Betrügerei behilflich zu sein. Auch Arnold Schönberg lehnte einen Versuch zur Vervollständigung ab, Alban Berg war 1924 zwar bereit dazu, traute sich aber wegen Schönbergs ablehnender Haltung nicht, und Webern und Schostakowitsch zeigten kein Interesse an einer solchen Arbeit. | | | | | | | | | | Ernst Krenek | | Arnold Schönberg | | Alban Berg | Wie es zu dem Sinneswandel bei Alma Mahler kam, erläutert Richard Specht: "Ich habe unwissentlich ein Unheil angerichtet und muss es gutmachen. In meinem Buch über Gustav Mahler habe ich über seine zehnte Sinfonie berichtet und gesagt, es sei des Meisters Wille gewesen, dass dieses Werk nach seinem Hinscheiden verbrannt werden soll... Erst viel später erfuhr ich - und Frau Mahler bestätigte es mir - dass sein Wunsch... nicht ihr gegenüber, sondern zu seinem New Yorker Freund und Arzt Dr. Josef Fränkel geäussert worden war, ja dass er zu seiner Frau in den letzten Wochen seines Lebens in ganz anderem Sinn, manchmal voll Hoffnung auf ein Vollendenkönnen des Werkes, manchmal als von einer in der Skizze ganz fertig gestellten Arbeit gesprochen habe, mit der sie nach Gutdünken schaffen solle... Als ich den wahren Sachverhalt erfuhr, war ich der erste, der Frau Mahler beschwor, das Manuskript wieder hervorzuholen... Sie holte den Entwurf der fünfsätzigen Sinfonie... und wir entdeckten ... zu unserer grossen Überraschung, dass zwei Sätze. des Werkes... so vollkommen fertig und bis auf jedes Instrument aufgezeichnet waren, dass man sie, ohne eine Note zu ändern, einfach aus der Skizze in Partiturform bringen konnte." | "Liebst Du um Schönheit" (Lied, Privatissimum an Alma) Alma litt im Sommer 1902 unter heftigen Gefühlsschwankungen, die sie sich selbst nicht erklären konnte. Jetzt vergehe ich vor Liebe zu ihm - und im nächsten Moment empfinde ich nichts, nichts! Ihre Zustände, zwischen depressiven Stimmungen und moralischen Selbstbezichtigungen hin- und herschwankend, stehen im Kontrast zum Klischee der glücklichen, noch dazu in guter Hoffnung befindlichen Ehefrau an der Seite eines faszinierenden Künstlers. Und immer diese Tränen, seufzte sie in ihrem Tagebuch. "Noch nie habe ich so viel geweint, als jetzt, wo ich doch alles habe, wonach ein Weib nur streben kann." Auch Mahler hatte gemerkt, dass mit seiner Frau etwas nicht stimmte. Er reagierte auf seine Art, indem er für Alma ein Lied komponierte. Als ein Privatissimum an Dich bezeichnete er seine Vertonung des Rückert-Gedichtes Liebst Du um Schönheit. Alma freute sich zwar über dieses Geschenk; die grundsätzliche Problematik, die sich auch aus Almas Unzufriedenheit mit sich selbst ergab, wurde dadurch aber nicht gelöst. Oft fühle ich, wie wenig ich bin und habe im Vergleich zu seinem unermesslichen Reichtum! "Ich bin der Welt abhanden gekommen" (Liebeslied) Primal Light - Urlicht (Jüdische Wurzeln in Mahlers Musik) Vom amerikanischen Jazz-Komponisten Uri Caine gibt es Transkriptionen von Mahlers Musik, Primal light - Urlicht aus der 2. Symphonie, in denen er die europäischen Elemente heraus filtert und die jüdischen Elemente in Mahlers Musik in den Vordergrund stellt. ALEXANDER ZEMLINSKY (Kompositionslehrer & Almas Geliebter) Alexander Zemlinsky, damals 28, lernte Alma Schindler im Februar 1900 auf einer Abendgesellschaft in der Villa Spitzer auf der Hohen Warte in Wien kennen. Kurz zuvor hatte die 21-Jährige Zemlinsky erlebt, als er im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins die Uraufführung seiner Kantate "Frühlingsbegräbnis" dirigierte. Im März besuchte Alma mit ihrem Gast, dem Maler Fernand Khnopff, eine Aufführung seiner Oper "Es war einmal" in der Hofoper. | | | | | | | | Alma Schindler 1900 | | Alexander Zemlinsky | | | | | | Zwischen der attraktiven und selbstbewussten Alma und dem introvertierten Zemlinsky entwickelte sich bald ein stürmisches Verhältnis. Zemlinsky wurde Almas Kompositionslehrer, nachdem er einige ihrer bereits komponierten Lieder begutachtet hatte, und verkehrte fortan im Haus von Almas Stiefvater Carl Moll. Seit dem Herbst 1900 ging das Verhältnis über den Unterricht hinaus. Zemlinsky und Alma Schindler begannen eine leidenschaftliche und komplizierte Liebesbeziehung, die bis zum folgenden Herbst dauerte. Zemlinsky widmete seiner Geliebten die 1899 komponierten " Fünf Gesänge" op. 7. Sowohl Almas Tagebuch-Suiten als auch Zemlinskys Briefe dokumentieren die ungewöhnliche und unglücklich verlaufende Beziehung Almas zu Alexander. Alma bewunderte die Musik und die Intelligenz Zemlinskys. Sie war fasziniert von seiner erotischen Ausstrahlung, wiewohl sie den kleingewachsenen Komponisten nicht attraktiv fand. Nicht nur Almas Mutter, auch sie wollte Zemlinskys Herkunft und Sorgen um den beruflichen Fortgang nicht akzeptieren. Zemlinsky liebte Alma abgöttisch, lehnte aber ihre oft oberflächlichen Gesellschaften ab. Er wollte eine Frau, die sich mit ihm und für ihn aus der Öffentlichkeit zurückzog, was für Alma niemals in Frage kam. Im Herbst 1901 begegnete Alma dem wesentlich älteren Gustav Mahler bei einem Konzert, das Zemlinsky dirigierte. Kurze Zeit später heiratete Alma Gustav Mahler. Viele Werke Zemlinskys sind entweder Alma gewidmet oder spiegeln das Verhältnis der schönen, unerreichbaren Frau und des "hässlichen Gnoms" wieder. ("Der Geburtstag der Infantin") Die Beziehung zu Alma wurde zur Inspirationsquelle von Zemlinskys Oper "Der Zwerg" (nach Oskar Wilde, uraufgeführt 1922). In diesem Einakter bekommt eine schöne Prinzessin einen Zwerg als Geburtstagsgeschenk, der sich noch nie im Spiegel gesehen hat. Er verliebt sich in sie und glaubt auf Gegenliebe zu stoßen, nachdem ihm die Prinzessin als Spaß für die Gesellschaft eine Rose zuwirft. Am Ende wird er über das üble Spiel aufgeklärt, sieht sich im Spiegel - und stirbt. Alexander Zemlinskys siebenteilige Lieder-Symphonie "Lyrische Suite" ist eine Reflexion auf die unglückliche Liebe zu Alma. Zemlinsky wurde dazu von Gustav Mahlers "Das Lied von der Erde" inspiriert und weigerte sich, sein Werk gemeinsam mit der unvollendet gebliebenen 10. Symphonie Mahlers uraufführen zu lassen, die dessen Reaktion auf Almas Affäre mit dem Architekten Walter Gropius war. > weiter zu Teil 2 von "Alma in der Musik anderer Komponisten" | |