Das Leben mit Gustav Mahler
(1901 - 1911)
Am 7. November 1901 lernte Alma im Haus ihrer Freundin Berta
Zuckerkandl den gefeierten Dirigenten Gustav Mahler kennen,
der als Direktor der Wiener Hofoper eine der mächtigsten
Positionen in der Musikwelt innehatte.
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Alma Schindler, 1900
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Gustav Mahler am Weg in die Wiener
Hofoper
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Mahler verliebte sich bei dieser Abendgesellschaft in die
junge Schönheit, bereits am 28. November machte er ihr
einen Heiratsantrag. Almas Familie versuchte Alma diese Verbindung
auszureden, der neunzehn Jahre ältere Mahler wurde als
zu alt für sie erachtet, auch wurde kolportiert, er sei
völlig verarmt und unheilbar krank. Die jüdische
Abstammung des zum Katholizismus konvertierten böhmischen
Komponisten war ein weiterer Stolperstein.
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Berta Zuckerkandl
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Gustav Mahler, Direktor der Wiener
Hofoper
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Alma Schindler, 1900
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Am 19. Dezember 1901 schrieb Mahler an Alma einen 20-seitigen
Brief, in dem er
seiner Braut den Plan für ein zukünftiges Leben
darlegte und sie aufforderte, ihr Komponieren aufzugeben:
Wie stellst du dir so ein komponierendes Ehepaar
vor? Hast du eine Ahnung, wie lächerlich und später
herabziehend vor uns selbst, so ein eigentümliches Rivalitätsverhältnis
werden muss? Wie ist es, wenn du gerade in Stimmung
bist, und aber für mich das Haus, oder was ich gerade
brauche, besorgen, wenn Du mir, die Kleinigkeiten des Lebens
abnehmen sollst? Bedeutet dies für Dich einen
Abbruch Deines Lebens und glaubst Du auf einen Dir unentbehrlichen
Höhepunkt des Seins verzichten zu müssen, wenn Du
Deine Musik ganz aufgibst, um die Meine zu besitzen, und auch
zu sein?
Alma war verwirrt und schrieb in ihr Tagebuch: Er
hält von meiner Kunst gar nichts von seiner viel
und ich halte von seiner Kunst gar nichts und von meiner
viel. So ist es! Nun spricht er fortwährend von dem Behüten
seiner Kunst. Das kann ich nicht. Bei Zemlinsky wärs
gegangen, denn dessen Kunst empfinde ich mit das ist
ein genialer Kerl.
Am 23. Dezember war dennoch Verlobung, am 9. März 1902
heirateten Alma und Gustav Mahler in der Wiener Karlskirche.
Sowohl Mahlers Freunde als auch viele aus dem Bekanntenkreis
reagierten verständnislos auf diese Eheschließung.
Bruno Walter, Kapellmeister an der Oper und engster Vertrauter
Mahlers, schrieb:
Mahler ist 41 und sie 22, sie eine gefeierte Schönheit,
gewöhnt an ein glänzendes gesellschaftliches Leben,
er so weltfern und einsamkeitsliebend
Das Ehepaar bezog eine Wohnung in der Nähe der Oper,
zum Haushalt gehörten
unter anderem zwei Dienstmädchen und eine englische Gouvernante
für die am 2. November 1902 geborene Tochter Maria. Das
Zusammenleben mit Mahler verlief allerdings völlig anders,
als Alma es vom abwechslungsreichen und geselligen Leben in
ihrem Elternhauses gewöhnt war. Mahler hasste Gesellschaften
und legte Wert auf einen geregelten Tagesablauf, um sein Arbeitspensum
zu bewältigen. Bald fühlte sich Alma vereinsamt,
sah sich zur Haushälterin degradiert und langweilte sich.
Das Gefühl innerer Leere änderte sich auch mit der
Geburt der zweiten Tochter Anna Justina nicht, die am 15.
Juni 1904 zur Welt kam und ihrer ausdrucksstarken Augen wegen
Gucki genannt wurde.
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Alma 1904 mit ihrer neugeborenen Tochter
Anna ("Gucki")
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Alma 1905 mit Gustav Mahler (Mitte)
und den Töchtern Maria und Anna
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Mahler vermisste in seiner Frau die Gefährtin, die mit
ihm sein Leben teilte. Der Konflikt verstärkte sich,
als sie sich auf einen heftigeren Flirt mit seinem Kollegen
Hans Pfitzner einließ. Mit Wissen und Billigung von
Gustav Mahler hatte Alma sich auch wieder mit Zemlinsky getroffen,
um mit ihm gemeinsam zu musizieren. Dieser lehnte es jedoch
ab, Alma wieder Unterricht zu geben.
Im Juli 1907 verstarb die erst 5-jährige Tochter Maria
an Diphtherie. Der Tod des geliebten Kindes markierte in Mahlers
Leben eine Zäsur und verstärkte die Kluft zwischen
den Eheleuten. Bei einer Routineuntersuchung wurde bei ihm
außerdem ein Herzfehler diagnostiziert, der seinen Bewegungsspielraum
stark einschränkte.
Immer wieder kam es in der Wiener Presse zu Angriffen gegen
Mahlers Führungsstil an der Oper, die schließlich
zu seinem Rückzug aus dem Wiener Musikleben führten.
Im Dezember 1907 trat er ein Engagement am Metropolitan Opera House in New York an, zu dem Alma ihn begleitete. Während
Mahler mit der Aufführung von Wagners Tristan und
Isolde seinen ersten großen Erfolg feierte, fühlte
sich Alma auch dort isoliert und einsam. In den sechs Monaten,
die das Ehepaar anschließend wieder in Europa verbrachte,
befand sich Alma meistens auf Kur und lebte von ihrem Mann
getrennt. Aus Briefen lässt sich erkennen, dass Alma
in dieser Zeit mindestens eine Fehlgeburt erlitt oder eine
Abtreibung vornehmen ließ.
Im Mai 1910 begab sich Alma mit ihrer Tochter Anna zur Kur
nach Tobelbad, einem kleinen, in Mode gekommenen Kurort in
der Steiermark. Nach acht Jahren Enttäuschung bot sich
Alma nun Trost für die Jahre der Entbehrung in der Person
eines jungen Architekten namens Walter Gropius, der später
mit dem Bauhaus entscheidend für die moderne Architektur
werden sollte. Nach all den Jahren mit Mahler, die für
Alma von Entbehrungen und Askese gekennzeichnet waren, explodierte
in ihr die aufgestaute Sehnsucht, als Frau ernst genommen
zu werden. Die beiden vergaßen sich in zügellosen
Liebesnächten.
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oben: Alma bei einem Spaziergang mit Gustav Mahler in
Toblach (1909/1910)
links: der junge Architekt Walter Gropius |
Die Affäre kam ans Licht, als Gropius einen Liebesbrief
an Alma irrtümlich an Gustav Mahler adressierte.
Trotz einer klärenden Aussprache betrieb Alma die Beziehung
zu Gropius jedoch heimlich weiter. Im Licht dieser Entdeckung
entstand Mahlers 10. Sinfonie, deren Manuskript eine Fülle
intimer Eintragungen aufweist, die dokumentieren, dass Mahler
damals die schwerste Lebenskrise durchmachte: Du
allein weißt, was es bedeutet. Ach! Ach! Ach! Leb
wol mein Saitenspiel! Lebe wol, Leb wol. Leb wol. und
Für dich leben! Für dich sterben! Almschi!.
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Das Manuskript von Mahlers 10. Sinfonie
mit den handschriftlichen Notizen:
Für dich leben! Für dich sterben! Almschi!
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Gustav Mahler
1910 auf der Überfahrt
nach New York
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Mahler wurde empfohlen, Sigmund Freud aufzusuchen, der ihn
im August 1910 im holländischen Seebad Leyden empfing.
Diese Begegnung ist rätselhaft und dauerte nur knapp
vier Stunden. Es gibt kaum Dokumente über diese Kurzanalyse,
doch lässt sich erkennen, dass Freud das Wesen der Beziehung
analysierte, die von einer wechselseitigen Sehnsucht nach
Vater- bzw. Mutterersatz geprägt war.
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Marie Mahler,
Mahlers Mutter
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Gustav Mahler 1907
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Alma Maria,
Mahlers Ehefrau
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Gegenüber seiner Schülerin Marie Bonaparte äußerte
sich Sigmund Freud: Mahlers Frau Alma liebte ihren
Vater Rudolf Schindler und konnte nur diesen Typus suchen
und lieben. Mahlers Alter, das er so fürchtete, war gerade
das, was ihn seiner Frau so anziehend machte. Mahler liebte
seine Mutter und hat in jeder Frau deren Typus gesucht. Seine
Mutter war vergrämt und leidend, und dies wollte er unterbewusst
auch von seiner Frau Alma. Mit dieser Erkenntnis
gab Freud eine Lizenz zum Inzest und bescherte den beiden
damit letzte glückliche Monate. Alma war allerdings empört,
als Freud ihr kurz nach Mahlers Tod ungeniert die Rechnung
für diese kurze analytische Sitzung zusandte.
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Mahler 1911
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Sigmund Freud analysierte die Ehe
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Alma 1909
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Mahler begann sich nun intensiv um seine Frau Alma zu bemühen
und widmete ihr etwa die 8. Sinfonie, deren Uraufführung
am 12. September 1910 in München sein größter
musikalischer Triumph wurde. Fünf der von Alma komponierten
Lieder ließ Mahler noch im selben Jahr drucken und in
Wien und in New York zur Uraufführungbringen. Kurz bevor
sie ihren Mann für mehrere Monate in die USA begleitete,
reiste Alma nach Paris, um sich noch einmal mit Walter Gropius
zu treffen.
Auf der letzten USA-Reise erkrankte Mahler schwer. Am 21.
Februar 1911 dirigierte er sein letztes Konzert in New York,
Alma reiste mit ihrem Mann zurück nach Europa. Am Abend
des 12. Mai erreichte man Wien. Am 18. Mai 1911, gegen Mitternacht,
verstarb Gustav Mahler, knapp 51 Jahre alt, in Wien. Er wurde
auf dem Grinzinger Friedhof neben seiner geliebten Tochter
Maria Anna begraben.
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Mahlers letztes Foto auf der Überfahrt
von New York nach Europa, 1911
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Mahlers Totenmaske,
Auf Veranlassung von Carl Moll abgenommen vom Bildhauer
August Sandig
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Der Reiche, der uns in die tiefste Trauer versetzte:
den heiligen Menschen Gustav Mahler nicht mehr zu besitzen,
hat uns fürs Leben das unverlierbare Vorbild seines Werkes
und seines Wirkens hinterlassen.
(Kranzschleife von Arnold Schönberg und einigen seiner
Schüler.)
Mahlers Wunsch entsprechend verlief das Begräbnis ohne
jeden Pomp, und so steht auch auf dem Grabstein nichts als
sein Name. Die Leiche war in einem Kapellchen aufgebahrt,
das gerade groß genug war, den Sarg und die ersten Kränze
zu bergen. Die übrigen musste man so groß
war ihre Zahl längs des ganzen Weges zum Grabe
seines Töchterchens aneinanderreihen; denn neben seinem
Kind hatte er ja ruhen wollen.
Die schmerzerfüllte vierte Galerie der Wiener
Hofoper in unauslöschlicher Erinnerung Figaro,
Fidelio, Iphigenie, Tristan.
Von der Kapelle wurde die Leiche, während es heftig
regnete, zur Grabstätte geführt, und sobald man
beim Grab angelangt war, ohne weitere Feierlichkeit hinabgesenkt.
Die immer noch große Schar des Geleites, mehrere hundert
Menschen, wagte kaum zu sprechen. Der Regen hatte aufgehört,
ein siebenfarbiger Regenbogen glänzte, durch die Stille
drang der Gesang einer Nachtigall. Dann fielen die Schollen
und alles war vorbei.
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Arnold Schönberg: Begräbnis von Gustav
Mahler
(22. Mai 1911 in Wien),
Öl auf Leinwand |
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Das schönste Mädchen Wiens (1879 - 1901)
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