Dr. Paul Kammerer (1880-1926) Biologe & Almas Liebhaber Paul Kammerer war ein österreichischer Biologe, der durch seine Versuche mit Geburtshelferkröten, mit denen er die Vererbung erworbener Eigenschaften beweisen wollte, berühmt wurde. Es gelang ihm, sechs Generationen der Geburtshelferkröte zu züchten, in denen die Brunftschwielen weitervererbt wurden, bevor die Linie ausstarb. Aus Begeisterung über diese Entdeckung küsste Kammerer eine Kröte, was ihm den Spitznamen Krötenküsser einbrachte. Unter dem Verdacht, seine experimentellen Ergebnisse gefälscht zu haben, nahm er sich 1926 das Leben. | | | | | | Das Vivarium im Prater, die Biologische Versuchsanstalt, in der Alma arbeitete. | | Paul Kammerer, der "Krötenküsser" | Kammerer gehörte zur besten Wiener Gesellschaft, er war mit vielen Künstlern befreundet und hatte bekannte Affären, unter anderem mit der Tänzerin Grete Wiesenthal. Er spielte hervorragend Klavier, schrieb Musikkritiken und komponierte selbst Lieder, die im renommierten Simrock-Verlag veröffentlicht wurden. Er war gut gewachsen und elegant gekleidet, er wirkte mit seiner dunklen Künstlermähne und seinen feinen Gesichtszügen imponierend. Kammerer war ein großer Verehrer der Musik Gustav Mahlers, von dessen Tod er 1911 so erschüttert war, dass er der Witwe Alma Mahler am 31. Oktober schrieb: Es ist unbegreiflich, wie man jemanden ohne sexuelle Unterströmung, ohne verwandtschaftliche und eigentlich sogar ohne äußerlich ausgesprochene freundschaftliche Bande so lieb haben kann wie ich Mahler. Denn das war und ist nicht nur Verehrung, Begeisterung für Kunst und Person, das ist Liebe! | | | | | | Der Biologe Paul Kammerer | | Das letzte Exemplar der Geburtshelferkröte mit den berühmten Brunftschwielen. | Alma, der er später das Büchlein »Über Erwerbung und Vererbung des musikalischen Talentes« widmete, gehörte für Kammerer zum seltenen Typus der genialen Wienerin. Er brachte ihr seine Verehrung in exzessiver Weise dar und drohte mehrfach, sich am Grabe Gustav Mahlers zu erschießen, sollte sie seine Liebe nicht erwidern. Er schrieb über sie: »Im Beisammensein mit ihr sammelt sich die potentielle Energie, welche nachher als kinetische Energie frei wird. Es gibt Leute, mit denen ich täglich beisammen bin und die umgekehrt wirken: die potentielle Energie wird aufgezehrt, und nachher ist, wenn ich sie brauche, zu wenig kinetische Energie da.« Alma schildert Paul Kammerers Verehrung: Wenn ich von einem Sessel aufstand, kniete er nieder und beroch und streichelte den Sesselplatz, auf dem ich gesessen war. Es war ihm dabei ganz egal, ob Fremde im Raume waren, oder nicht. Er war auch durch nichts von solchen Extravaganzen, deren er in Fülle hatte, abzuhalten. Im November 1911 schlug er Alma Mahler vor, seine Assistentin zu werden, und eine Zeit lang arbeitete sie für ihn in der biologischen Versuchsanstalt im Wiener Prater. Daran erinnerte sie sich später: Nun übergab er mir einen mnemotechnischen Versuch mit Gottesanbeterinnen zu bearbeiten. Er wollte es herausbringen, ob diese Tiere durch die Häutung ihr Gedächtnis verlieren oder ob dieser Akt nur eine oberflächliche Hautreaktion ist. Zu diesem Behuf sollte ich ihnen eine Gewohnheit beibringen. Es misslang insofern, als diesen Viechern nichts recht beizubringen war. Ich musste sie unten im Käfig füttern, da sie a priori immer in der Höhe und im Licht fressen. Der Käfig war unten verdunkelt. Sie waren nicht dazu zu bringen, ihre schöne Gewohnheit, Kammerer zu Liebe, aufzugeben. Alma musste die Versuchstiere mit Mehlwürmern füttern und mir grauste etwas vor dieser Riesenkiste voll sich schlängelnder Würmer. Er sah es, nahm eine Handvoll und steckte die Viecher in den Mund. Er fraß sie laut schmatzend. Alma Mahler ließ später anklingen, dass es bei Kammerers Experimenten im Praterlabor zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte: Er wünschte die Ergebnisse seiner Forschungen so glühend herbei, dass er unbewusst von der Wahrheit abweichen konnte. | |